Schön scheußlich
Männchen liegt die Standardausrüstung vor. Das Weibchen weist eine stark vergrößerte Klitoris auf, die einem Penis ähnelt, sowie miteinander verschmolzene Schamlippen, die einem klobigen Paar Hoden gleichen. Beide Geschlechter bekommen bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine Erektion, zum Beispiel wenn sie einen Fremden beschnüffeln oder einen Freund begrüßen. Doch die beiden Geschlechter mögen zwar gleich aussehen, aber sie sind es keineswegs. Das Weibchen hat das Sagen.
Das endokrine System der Hyäne und seine außergewöhnliche Wirkung auf die weiblichen Genitalien und das weibliche Verhalten kennen in der Klasse der Säugetiere nicht ihresgleichen. Doch wie es in der Wissenschaft so häufig der Fall ist, können Ausnahmen auf eindrucksvollste Weise die Regel bestätigen. Die Biologen, die dort oben auf den dornigen braunen Hügeln Berkeleys oder in den buschbestandenen afrikanischen Savannen südlich der Sahara Hyänen untersuchen, stehen auf dem Standpunkt, dass ihre Ergebnisse imstande sein werden, etliche der allgemeinen Rätsel in Physiologie und Verhaltensforschung zu lösen, unter anderem die Frage, wie Androgene und Östrogene gemeinsam die Sexualentwicklung bei Säugetieren beeinflussen. Schon jetzt werfen ihre Entdeckungen die herkömmlichen Vorstellungen von Testosteron und seiner vermeintlich zentralen Rolle bei der Entstehung dominanter Verhaltensweisen über den Haufen und legen den Schluss nahe, dass für viele Säugetiere, uns selbst eingeschlossen, bei der Entstehung und Abstimmung einer genuinen Persönlichkeit andere Elemente viel wichtiger sind als die Steroidhormone.
Frisch zur Welt gekomrnene Hyänenwelpen sind die mit Abstand streitsüchtigsten Neugeborenen unter den Säugetieren. Sie sind derart aufs Kämpfen eingestellt, dass sie, kaum geboren, übereinander herfallen, und nicht selten bleibt einer der beiden auf der Strecke. Doch die Aggression ist nicht allein eine Frage überdurchschnittlicher Mengen an männlichen Hormonen. Mit zunehmendem Alter fällt der Testosteronspiegel bei den Weibchen drastisch ab, bis weit unter den von Männchen. Dennoch bleiben sie weitaus kampflustiger und unfreundlicher, hochmütige Prinzessinnen allesamt. Ich sollte in Berkeley einmal eine Portion Pferdefleisch an zwei Hyänen, Männchen und Weibchen in einem Käfig, verfüttern: Das Männchen rührte sich keinen Millimeter, um seinen Anteil zu erkämpfen. Es zuckte mit keinem Schnurrhaar und hob nicht einmal die Pfote, bis das Weibchen satt war.
Trotz ihrer maskulinen Anatomie und ihres dominierenden Verhaltens erfüllen weibliche Hyänen ihre feminine Rolle auf das Geschickteste. Sie bringen es fertig, über eine winzige Klitorisöffnung zu kopulieren und durch dasselbe penisartige Organ ihre Jungen zur Welt zu bringen. Dem Beobachter - insbesondere dem männlichen Betrachter - müssen diese Dinge unerträglich schmerzhaft vorkommen, doch wird das Ganze offenbar dadurch erleichtert, dass die Östrogenkonzentration in zeitlich genau abgestimmter Folge drastisch ansteigt und die Haut weich und elastisch macht.
Die Hyänengeschichten haben einen besonderen Reiz für die großen Brückenbauer in der Biologie. Der Großteil biologischer Forschung lässt sich zwei Lagern zuordnen. Beide gründen ihre Ideologie auf eine Frage der Größe: Makro gegen Mikro, den Organismus als Ganzes gegen das Molekulare. Die Feldbiologie beliefert uns mit den Betriebsbedingungen und Schwierigkeiten von Tieren in freier Wildbahn, wenn diese, sich selbst überlassen, ihrem eigenen zirkadianen Rhythmus folgen. Die Laborbiologie bedient uns mit elegant gereinigten und charakterisierten Molekülen - Genen, Proteinen, Hormonen und den schlüpfrigen Lipiden, die eine Zelle umhüllen. Die Untersuchung von Hyänen gehört zu den wenigen Bestrebungen, das Getrennte zu vereinen und Feldbeobachtungen mit einer detaillierten biochemischen und molekularen Analyse der Hormone und Gene zusammenzubringen, die das tierische Verhalten beeinflussen.
Diese Konvergenz der Standpunkte könnte unter Umständen zu einer Versöhnung anderer vermeintlich unüberbrückbarer Gegensätze führen und uns helfen, Licht in die Frage zu bringen, wie das hormonelle Yin und Yang der Östrogene und Androgene in jedem Einzelnen von uns funktioniert - oder gelegentlich eben nicht funktioniert. Das Stein-Leventhal-Syndrom beispielsweise, eine kleinzystische Degeneration der Eierstöcke, bei der Frauen abnorm hohe Mengen an Androgenen produzieren und
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