Schön scheußlich
zwischen bloßem Überleben und echtem Gedeihen festzumachen.
Bei sozial lebenden Arten spielen die Erwachsenen beinahe ebenso engagiert wie die Jungtiere und festigen durch ihre Rituale die Bindungen zwischen einzelnen übelgelaunten Individuen von erregbarem Temperament. Das Halsbandpekari, ein überaus aggressiver Verwandter des Wildschweins, spielt mit seinen Rottengenossen mehrmals in der Woche ein raues Spiel. In Reaktion auf ein chemisches Signal, das von einem oder mehreren Mitgliedern der Rotte abgesondert wird, suchen sich die Pekaris einen vor Räubern geschützten und von Pflanzenbewuchs weitgehend freien Ort. Sobald der Platz gewählt und zum Anstoß gepfiffen ist, fangen die alten und die jungen Pekaris an, wild in die Luft zu schnappen, sich ineinander zu verbeißen, grunzend und quiekend hin und her zu springen und übereinander zu purzeln. Ähnlich dem Wettlauf in Alice im Wunderland hört der allgemeine Tumult genauso abrupt auf, wie er begonnen hat, und die Pekaris lassen sich zu einem Schläfchen nieder. Dieses Spiel schafft einen festen Gruppenzusammenhalt: Die Pekaris lieben jedes Mitglied ihrer Herde und hassen jeden anderen, und ihr ritualisierter Sport hilft ihnen, diesen fremdenfeindlichen Teamgeist zu bestärken.
Die meisten erwachsenen Tiere sind jedoch genauso spießig wie unsereiner und verbringen nicht allzuviel Zeit im Spiel miteinander. Wissenschaftler haben allerdings Beispiele für ausgiebiges Spielen zwischen Eltern und ihrem Nachwuchs beobachtet, was lange Zeit hindurch als eindeutig menschliches Merkmal gegolten hat. Die Braunbärenjungen in Alaska spielen mindestens ebensoviel mit ihren Müttern wie mit anderen Jungen; eine der beliebtesten Varianten ist es, in fester Bärenumarmung miteinander umherzukugeln. Gorillamütter spielen mit ihren Jungen »Kuckuck«, und Schimpansenmütter schneiden Grimassen.
Von entscheidender Bedeutung für die Evolution des Spiels ist die Entwicklung einer entsprechenden Spielsprache, eines Mittels, mit dem sich einem möglichen Spielkameraden übermitteln lässt: »Komm, spiel mit mir!« Oder wenn es allzu rau hergehen sollte: »Hör auf, ich mach' doch nur Spaß!« Da viele der Bewegungen, die im Spiel ablaufen, denen gleichen, die ein Tier zu weniger lustigen Anlässen bemüht zum Töten beispielsweise - , muss das Tier seine spielerischen Absichten unzweifelhaft deutlich machen können. Jene Botschaften der guten Absicht können eine stereotype Gestalt annehmen. Wenn ein Welpe spielen will, nimmt er die bekannte einladende Aufforderungshaltung ein und robbt mit hoch gerecktem Hinterteil auf den Vorderpfoten vorwärts.
Ratten verfügen über ein eigenes Spielsignal. Als Einleitung für ein Spiel huscht eine Ratte plötzlich von einer anderen weg, bremst heftig ab und wirft sich als Zeichen freiwilliger Unterwerfung und Verletzlichkeit auf den Rücken ein Verhalten, das man bei Nagetieren nicht eben häufig findet. Verabreicht man einer Ratte ein Präparat, mit dem sich die speziellen neuronalen Übertragungswege blockieren lassen, die für das Herumwerfen verantwortlich sind, lässt ihr Talent, andere zum Spiel zu überreden, empfindlich nach. Ihre potenziellen Spielpartner beobachten, wie das manipulierte Tier von einer Käfigecke in die andere flitzt, und warten darauf, dass es sich in der sonst typischen Weise auf den Rücken wirft. Bleibt dies aus, rümpfen sie geringschätzig die Nase - ein bisschen so wie die Starkicker der Schule reagieren, wenn das ungeschickteste Kind der Klasse sie um einen Platz im Team bittet.
In all seiner potenziellen Grausamkeit und Härte übertrifft das Spiel unter Kindern in seiner Komplexität das jeder anderen Art. Durch Spiele, Tobereien und alle möglichen Fantasien üben Kinder viele Fertigkeiten, die sie als Erwachsene benötigen werden. Wie bei anderen Tieren hat auch bei ihnen das Spiel eine starke physische Komponente, die der Ausbildung synaptischer Verknüpfungen zwischen den Neuronen und der Reifung verschiedener Arten von Muskelgewebe dient. Und wie bei anderen sozial lebenden Tieren lernen auch Kinder im Spiel die Kunst des Zusammenlebens des Gebens und Nehmens, der Umwandlung des momentanen Bedürfnisses, einen Altersgenossen gründlich zu verprügeln, in eine weniger verbissene Form von Rauferei.
Kinder teilen mit anderen Primaten auch den ausgeprägten Hang, sich nach Geschlechtern aufzuteilen und getrennt unterschiedlichen Aktivitäten nachzugehen. Wie pazifistisch ihre Eltern auch
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