Schön scheußlich
verspieltesten zeigen.
Mögen auch die praktischen Notwendigkeiten eines sich differenzierenden Gehirns und wachsender Muskeln die Entstehung des Spiels erklären, so hat das Verhalten seither doch zusätzliche, sehr subtile Dimensionen gewonnen. Im Spiel können Tiere viele der Bewegungen üben, die sie als Erwachsene benötigen werden. Und bei verschiedenen Arten hat sich im Lauf der Evolution ein hoch ritualisierter Zeitvertreib entwickelt, der den jeweils sehr unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird. Junge Antilopen, Lämmer und andere Pflanzenfresser spielen Spiele mit vorgetäuschtem Fluchtverhalten, bei denen sie vor nicht vorhandenen Räubern Reißaus nehmen - eine Kunst, die sie eindeutig beherrschen müssen, bevor sie auf eigene Faust sicher umherstreifen können.
Bei den Fleischfressern wie Katzen, Wölfen und Hyänen geben die Welpen vor, Beutetiere zu fangen: Sie pirschen sich an etwas heran, springen es an, verpassen ihm Tatzenhiebe, verbeißen sich darin und schütteln es knurrend. Junge Fledermäuse schießen in spektakulären Kurven hintereinander her, die den Manövern ähneln, die ausgewachsene Fledermäuse vollführen müssen, um ahnungslose Insekten zu erhaschen. Die Jungen des Großen Ameisenbärs, einem der ursprünglichsten Säugetiere, das mit grauer Substanz nicht allzu üppig gesegnet ist, vollführen dennoch komplexe Spielsequenzen, in denen Drohgebaren vorgetäuscht wird. Sie plustern ihr Fell auf wie eine gereizte Katze, heben eine Klaue und hüpfen auf den anderen drei drohend seitwärts, wobei sie mit der Heftigkeit eines halb verstopften Abflusskanals gurgeln und brüllen. Im Alter von etwa zwei Monaten wiederholen die Jungen dieses Ritual ein ums andere Mal und üben die Bewegungen, die später Räuber abschrecken oder andere Ameisenbären von einem besonders begehrten Ameisenhaufen vertreiben sollen. Frisch geschlüpfte Meeresschildkröten, die wegen ihrer Kaltblütigkeit auf allerkleinste Luftsprünge beschränkt sind, bringen es gleichwohl fertig, ein Vorderbein zu heben und vor dem Gesicht eines Spielkameraden rasch erzittern zu lassen - ein Verhalten, das die Männchen Jahre später bei ihrem Balzverhalten einsetzen werden.
Viele Arten betreiben Spielformen, die auf die Paarung und auf die Jungenaufzucht vorbereiten. In einem Test wurde die Beziehung zwischen Spiel und Elternverhalten an jungen Ratten untersucht, die man zum Babysitten verpflichtet hatte. Die Wissenschaftler setzten bei diesem Experiment eine drei Wochen alte Ratte (das entspricht in etwa einem siebenjährigen Kind) zu einem Wurf Neugeborener. Zuerst versuchte die junge Ratte, mit den rosafarbenen kleinen Wesen zu spielen. Sie sprang sie an und wollte mit ihnen ringen, wie sie es mit Gleichaltrigen getan hätte. Sie knuffte und rempelte den regungslosen Haufen ein ums andere Mal an, aber ohne Erfolg. Binnen weniger Tage begann sie jedoch, in ihrem Verhalten sanfter zu werden und sich wie ein Elternteil zu benehmen. Wenn ein Junges davonkrabbelte, sammelte sie es vorsichtig wieder ein, und sie versuchte sogar, die Kleinen zu säugen. Das Spielverhalten von Nagetieren ist also offensichtlich ungemein formbar und ändert sich den Anforderungen seiner Umwelt entsprechend; in diesem Fall wandelte es sich vom hemdsärmligen Geraufe zu einem Training für elterliches Verhalten.
Bei sozial lebenden Arten übernimmt das Spiel zusätzlich die Rolle, einem Tier die Aufnahme in das Gruppenleben zu erleichtern, für das übertrieben selbstsüchtige oder feindselige Neigungen gezähmt oder ganz eliminiert werden müssen. Junge Rhesusaffen und Totenkopfäffchen verbringen beispielsweise ab ihrem dritten Lebensmonat die Hälfte ihrer Wachzeit mit Spielen. Je mehr ein Tier spielt, desto besser stehen seine Chancen, als Erwachsener zu einem gut integrierten Mitglied seiner Herde zu werden. Durch Scheinkämpfe lernt ein Tier, wann es nachgeben und wann es weiterkämpfen muss und wie es einen Kampf mit Anstand verliert. Primaten spielen überdies in Geschlechtergruppen: Die Männchen raufen lieber, während die Weibchen Fangspiele der körperlichen Auseinandersetzung vorziehen.
Affen, die als Jungtiere nicht viel spielen, mögen ihr Dasein am Ende zwar nicht direkt als Ausgestoßene fristen, aber sie sind weniger geschickt darin, Bündnisse mit anderen Affen einzugehen, und ihre Offerten gegenüber potenziellen Partnern haben einen eher mechanischen Charakter. Am Spiel scheint sich der entscheidende Qualitätsunterschied
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