Schön scheußlich
mit den bedächtigen, tollpatschigen Bewegungen eines aquatischen Elefanten im Wasser rollt und Purzelbäume schlägt, oder eines jungen Braunbären, der mit den Zähnen eine Blume pflückt und einer koketten spanischen Tänzerin gleich über eine Wiese tollt.
Doch vom biologischen Standpunkt aus ist die Frage, wie Spiel eigentlich im Lauf der Evolution entstanden ist und weshalb viele junge Säugetiere, Vögel, ja selbst ein paar Fische und Reptilien sich eindeutig damit vergnügen, nicht leicht plausibel zu beantworten. In der Natur entsteht nichts zum Spaß, wenn sich auch vieles von dem, was wir zu tun haben, am Ende so gut anfühlt, dass wir motiviert sind, es weiter zu tun. Und mag Spiel auch wie ein Geschenk aussehen, wie ein dicker, fröhlicher Eintrag auf der Habenseite der Lebensbuchführung, so verursacht es doch beträchtliche Kosten. Die stürmischsten Jungtiere der Natur, darunter Gabelböcke, Wanderratten und Menschenkinder, verbrauchen zwanzig Prozent der Kalorien, die sie nicht zum unmittelbaren Überleben benötigen, im Spiel. Das ist eine sehr große Portion an Energie, die da in zufallsorientierte und keiner Funktion dienende Aktivitäten - so die formale, wenngleich nicht gerade inspirierende Lexikondefinition des Spiels - investiert wird. Der beim Spiel vergeudete Brennstoff steht nicht im Dienst rascheren Heranwachsens und des Vorbereitens auf die letzte Bestimmung aller Organismen: die Fortpflanzung.
Nicht minder von Bedeutung ist der Umstand, dass Tiere, die in das offenkundige Ausleben ihres jugendlichen Elans vertieft sind - hüpfen, rangeln, eingebildeten Gegenständen hinterherjagen, einander anspringen und an den Mähnen knabbern - , beträchtliche Risiken in Bezug auf ihre Gesundheit und Sicherheit eingehen. Im Spiel setzen Jungtiere sich dem Zugriff von Räubern aus. Sie unternehmen waghalsige Manöver in Baumkronen, am Wasser oder auf Fenstersimsen und flirten mit den gebleckten Zähnen und ausgefahrenen Krallen ihrer Spielkameraden. Unter Berücksichtigung sämtlicher Kosten hätte die Evolution ihren Neulingen nie erlaubt, so frech und munter zu sein, wenn Frechheit und Munterkeit nicht von entscheidender Bedeutung für Wachstum und Leistung eines Tieres wären.
Angeregt durch einen vermehrten Respekt für die Gefahren des Spiels haben die Wissenschaftler sich bei ihrer Forschung in letzter Zeit einen überlegteren Ansatz zu Eigen gemacht und sind von den rein impressionistischen Betrachtungen und Beobachtungen zu tiefer gehenden Analysen der Physiologie und Psychologie des Spiels gelangt. Sie fragen, was mit Körper, Gehirn und Verhalten eines Geschöpfs vor sich geht, wenn es seine eigene wachsende Stärke so überschwänglich zelebriert. Sie haben Beweise dafür gesammelt, dass ein Tier genau dann am lebhaftesten spielt, wenn seine Gehirnzellen wie wild synaptische Verknüpfungen bilden und ein dichtes Netz neuronaler Verknüpfungen spinnen, die elektrochemische Botschaften von einem Gehirnbereich zum nächsten übermitteln können. Diejenigen Nervenzellen, die zu den übermütigsten Zeiten eines Tieres besonders große Mengen an Synapsen bilden, befinden sich im Kleinhirn, der für Koordination, Balance und Muskelkontrolle verantwortlichen Gehirnregion, die in ihrer Gestalt ein bisschen an einen Blumenkohl erinnert. Durch die intensive sensorische und physikalische Stimulation, die das Spiel mit sich bringt, werden Verknüpfungen zwischen Kleinhirnsynapsen gebildet und verstärkt, und dies wiederum beschleunigt die motorische Entwicklung. Andere Teile des Gehirns profitieren vermutlich ebenfalls von dieser Stimulation, und das ist womöglich der Grund dafür, dass Arten mit einem so großen Gehirn wie Primaten und Delfine so unglaublich verspielt sind. Bei diesen Tieren reift das Gehirn noch lange nach der Geburt weiter und benötigt daher so viele Kitzel aus der Außenwelt wie möglich.
Die lebhaften Bewegungen im Spiel tragen überdies zur Reifung und Stärkung des Muskelgewebes bei. Dadurch, dass den Muskeln die unterschiedlichsten Nervensignale zugeleitet werden, sorgt das Spiel für das ordnungsgemäße Wachstum und die richtige Verteilung von Zuckungsfasern, die rasche Muskelkontraktionen leisten, und Tonusfasern, die für ausdauernde sportliche Leistungen benötigt werden. Untersuchungen zur Muskelentwicklung bei Mäusen, Ratten, Katzen, sogar bei Giraffen haben ergeben, dass Wachstum und Differenzierung der Fasern gerade dann am aktivsten sind, wenn sich die Tiere am
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