Schön scheußlich
dadurch in vielen Fällen unfruchtbar werden, kommt - so vermutet man - unter Umständen durch eine Hormonsituation zustande, die der bei schwangeren Hyänen vergleichbar ist. Wenn man versteht, wie weibliche Hyänen mit hohen Testosteronkonzentrationen zurechtkommen, ohne unter schädlichen Nebenwirkungen zu leiden, gelangen wir vielleicht zu einem besseren Verständnis der Wirkung von Androgenen auf den Körper einer Frau, ein Thema, das bislang großenteils unerforscht ist.
Tüpfelhyänen sind die größten und zahlreichsten Mitglieder der Hyänenfamilie. Zu dieser gehören insgesamt drei Arten, die oberflächlich betrachtet allesamt hundeartig aussehen, in Wirklichkeit aber den Schleichkatzen nahe verwandt sind (sie gehören in dieselbe Überfamilie wie Mungos, Erdmännchen und Zibetkatzen). Die Tüpfelhyäne ist die einzige Art, bei der das Weibchen über vermännlichte Geschlechtsorgane verfügt, weshalb diese Tiere lange Zeit hindurch viel Aufmerksamkeit - und Abscheu - erregt haben.
Die Autoren eines Bestiariums aus dem zwölften Jahrhundert schrieben über die Tüpfelhyäne: »Ihr Wesen besteht darin, im einen Moment männlich zu sein, im nächsten Augenblick weiblich, und deshalb ist sie ein unreines Vieh.« Ernest Hemingway, leidenschaftlicher Großwildjäger, als Naturforscher hingegen eher nachlässig, wiederholte in seinen Memoiren den Mythos, dass Hyänen Hermaphroditen seien. In den sechziger Jahren war der Wissenschaft hinlänglich bekannt, dass das Weibchen lediglich männlich aussieht, doch der biochemische Mechanismus, mit dem sich erklären ließ, wie es dazu kommt, blieb zu klären.
Mitte der achtziger Jahre holten die Wissenschaftler in Berkeley sich zwanzig Babyhyänen aus Afrika, um an ihnen Endokrinologie und Verhalten dieser Tierart zu studieren. Die Hyänen wurden hoch oben in den Hügeln in geräumigen Gehegen von Hand großgezogen und sind inzwischen erwachsen - sie wiegen um die zwei Zentner - , und sie gebärden sich untereinander nicht weniger wild als in freier Wildbahn. Ihren Zieheltern sind sie jedoch zugetan und lassen sich liebend gern auf ihrem Schoß nieder, um sich ihr borstiges Feld tüchtig kraulen zu lassen. Sie beißen nur, wenn man sie erschreckt. Sie sind aber insgesamt immer noch so reizbar, dass jeder, der mit ihnen arbeitet, dies anhand einiger Narben belegen kann.
Durch vergleichende Studien zwischen Tieren in Gefangenschaft und deren wilden Cousins in Afrika haben die Biologen gelernt, dass Hyänen einer starren Hierarchie gehorchen, in der das herrschende Weibchen und deren Nachkommen die anderen derart unter der Fuchtel haben, dass ein ausgewachsenes, kräftiges Männchen selbst vor dem mickrigsten Jungtier des dominanten Weibchens kapituliert, wenn ein Clan beschlossen hat, irgendeinen Pflanzenfresser zu zerlegen. Biologen, die seit den siebziger Jahren das Schicksal von Hyänenrudeln verfolgen, beschreiben deren Hierarchie als eine dynastische: Die Großenkel der ursprünglichen Herrscherin besetzen die dominanten Positionen im Rudel, und die Nachfahren derer, die ganz unten in der Hierarchie stehen, sind auch Jahrzehnte später immer noch in unterlegener Position. Die Umgangsformen sind nicht minder starr als die Hierarchie~ Wenn zwei Hyänen aufeinander treffen, stehen sie nicht Auge in Auge, sondern Hinterteil an Vorderteil. Das unterlegene Tier hebt auf der Stelle einen Hinterlauf und bietet so seine verwundbaren Genitalien den Zähnen der überlegenen Hyäne dar - eine Unterwerfungsgeste, die extreme Verwundbarkeit und Vertrauen signalisiert. Wie ein Offizier den Gruß eines Rekruten erwidert, hebt sodann die überlegene Hyäne ein Bein und gestattet der geringeren ebenfalls, sie zu beschnüffeln.
Bei all dem Genitaliengetue im Mittelpunkt des Zusammenlebens von Hyänen erhebt sich die drängende Frage: Woher bezieht das Hyänenweibchen seinen Modeschmuck? Bei den meisten Säugetieren erwächst dem männlichen Fetus seine maskuline Gestalt durch die Gnade seiner knospenden Hoden, die das notwendige Testosteron produzieren, um die übrigen Genitalien zu formen. Das durchschnittliche Säugerweibchen, dem diese private Androgenquelle abgeht, entwickelt seine Genitalien getreu dem ihm von Geburt an eigenen Programm. Übrigens verdankt es seine femininen Formen der puffernden Wirkung der Plazenta: Im Blut des Muttertiers zirkulieren geringe Mengen an Testosteron - bei allen Säugetieren ist das Hormon des anderen Geschlechts in geringen Mengen vertreten - ,
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