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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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Zucht bringen können, womöglich die Schuld nicht unbedingt bei der DNS der Tiere suchen sollten, sondern vielleicht bei ihrer eigenen Unfähigkeit hinsichtlich der Partnerwahl und Verpaarung ihrer Tiere. In manchen Zoos waren die Gepardenzüchter immerhin so erfolgreich, dass es zu einer wahren Bevölkerungsexplosion und lautstarken Forderungen nach einer Gepardenpille kam.
    So verführerisch die Argumente der Neo-Gepardianer auch sein mögen, ihre Befunde sind nicht absolut wasserdicht. Geparden weisen nun einmal einen im Vergleich zu Tigern oder Leoparden bemerkenswerten Mangel an genetischer Vielfalt auf. Verpflanzt man Haut von einem Geparden auf einen anderen, so dauert es außerordentlich lange, bis der Empfänger das Transplantat abstößt - ein deutlicher Hinweis darauf, dass Geparden mehr oder weniger Klone voneinander sind. Und obgleich Geparden ihr Leben mit der Stärke beginnen, allen anderen Konkurrenten wegzurennen, so endet ihr Leben doch für ein so großes Säugetier um einiges zu früh. Sogar in Zoos werden Geparden selten älter als sieben Jahre; das ist ein Drittel der Lebensspanne, die Großkatzen in Gefangenschaft erreichen. Natürlich ist es möglich, dass Geparden von Natur aus kurzlebig sind. Aber es ist ebenso gut möglich, dass sie aufgrund ihrer fragilen genetischen Gesamtkonstitution unter chronischen und letztlich tödlichen Gesundheitsproblemen zu leiden haben. Die häufigste Todesursache unter Geparden in Gefangenschaft ist Nierenversagen, eine Krankheit, die unter anderem auch durch DNS-Fehler begründet sein kann.
    Ähnlich umstritten wie die Folgen der genetischen Homogenität von Geparden sind auch deren Ursachen. Einem Szenario zufolge gehören die Geparden zu den allerersten Opfern des ausbeuterischen Umgangs der Menschheit mit ihrer Umwelt. Am Ende der letzten Eiszeit - vor zehntausend Jahren also - sollen die im Kielwasser abschmelzender Gletscher rasch vordringenden Menschen die Geparden mit Ausnahme einiger weniger afrikanischer Nischen überall ausgerottet haben. Bei dieser Massenauslöschung, so das Szenario, gingen den Geparden über neunzig Prozent ihrer genetischen Variabilität verloren, eine katastrophale Ausdünnung der Population, von der sie sich erst jetzt ganz allmählich zu erholen beginnen.
    Einer anderen, nicht minder plausiblen Erklärung zufolge kam den Tieren die genetische Vielfalt nicht durch die grausame Hand des Jägers abhanden, sondern allein deshalb, weil sie so ungemein hoch spezialisiert sind und ihr Körper von Kopf bis Fuß zu dem einzigen Zweck entworfen ist, übersäugerliche Geschwindigkeiten zu erreichen. Diesem Argument zu folge führten die evolutionären Prozesse, die der Erhöhung ihrer Sprinterqualitäten dienten, letzten Endes dazu, dass unterwegs eine Menge anderer Gene ausgemustert wurde. Mit anderen Worten: Vielleicht macht das Gepardendasein eine hohe genetische Homogenität notwendig, und vielleicht ist eine geringe Lebensspanne Teil des Gesamtvertrags.
    Der Gepard ist ein spektakuläres Beispiel für stromlinienförmiges Design. Er ist relativ zierlich, und seine Knochen haben ein geringes Gewicht: Er wiegt nur etwa siebzig Pfund. Der Gepard hat einen aerodynamisch geformten kleinen Kopf, ungewöhnlich lange Beine, eine flexible Wirbelsäule und gleitende Schulterknochen, die seine Schrittweite vergrößern. Seine Fangzähne sind extrem klein und lassen den Nasengängen jede Menge Raum, sodass er große Mengen Sauerstoff aufnehmen kann. Der Gepard jagt nicht, indem er sich an seine Beute heranschleicht, sondern er setzt seiner Beute pfeilschnell nach - und betreibt damit einen dermaßen verschwenderischen Energieverbrauch, dass das Tier erst einmal fünfzehn bis zwanzig Minuten verschnaufen muss, bevor es zu fressen anfangen kann.
    Da Geparden schlanker sind als die meisten anderen afrikanischen Karnivoren und ihnen zudem große Fangzähne zu ihrer eigenen Verteidigung abgehen, können sie sich gegen konkurrierende Fleischfresser nicht wehren, die ihnen ihr Mahl streitig machen, und wenn sie mit einer solchen Situation konfrontiert werden, trollen sie sich meistens. Die Tiere sind ihrem Wesen nach wirklich unglaublich wenig aggressiv. Im Zoo von San Diego betrat ich einmal ein Gehege mit einem Muttertier und fünf Jungen. Die Alte ließ mich fast bis auf Streicheldistanz herankommen und beäugte mich dabei gelassen mit einer Mischung aus Langeweile und Irritation, während ihre Jungen auf rührende Weise ihren Pelz sträubten und

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