Schön scheußlich
afrikanischen Kontinent und den Nahen Osten. Sie verbreiteten sich bis hinunter in den Süden Indiens. Heute sind sie bis auf ein paar geschützte Gebiete in Ost-und Südwestafrika nahezu überall ausgerottet. Namibias Bauern und Viehzüchter jagten sie als unerwünschte Räuber. In Reservaten, in denen sie oft in unnatürlicher Nähe zu anderen Raubtieren leben müssen, bilden sie die unterste Stufe der grimmigen Fleischfresserhierarchie. Löwen wachsen über sich hinaus, um Gepardenjunge zu erlegen. Hyänen, Leoparden und sogar Geier können spielend einen Geparden von seiner schwer erlegten Beute fortjagen. Um der traurigen Geschichte dieser großartigen Tiere noch eins draufzusetzen, sind viele Wissenschaftler überdies zu dem Schluss gekommen, dass die Art infolge schwerer Populationseinbrüche in der Vergangenheit, von denen sich das bedauernswerte Tier kaum je hat erholen können, unter schwerer Inzucht leidet.
Chromosomenanalysen bei Geparden haben einen überraschenden Mangel an genetischer Vielfalt von einem Individuum zum nächsten gezeigt. Der Gepard wird deshalb oft als Wesen porträtiert, dessen Kopf bereits unter der evolutionären Guillotine ruht, dessen Population in ihrer Varianz so eintönig ist, dass eine größere Seuche viele, wenn nicht gar alle der etwa fünfzehntausend noch in der Wildnis verbliebenen Geparden auslöschen könnte.
So mancher Zoo beklagt die Tatsache, dass seine Geparden unfruchtbar sind. Man hat für das Problem die trostlose genetische Situation dieser Art verantwortlich gemacht, die sogar die langfristigen Aussichten der Tiere, die sich in den geschützten, umhegten Grenzen eines Parks aufhalten, in Frage stellte. Ein paar ketzerische Biologen aber behaupten nun, dass diese weit verbreitete Vorstellung vom aussichtslos in Inzucht gefangenen Geparden womöglich falsch ist - ein Produkt der Manipulationen im Reagenzglas und für den normalen Arbeitstag eines Gepards völlig ohne Belang. Sie sind der Ansicht, dass Geparden weit davon entfernt sind, so nachteilige Inzuchteffekte zu zeigen, wie man sie von anderen genetisch homogenen Tieren kennt - bestimmten Stämmen von Labormäusen beispielsweise oder Zuchthunden mit ellenlangen Stammbäumen. Sie meinen, dass die Geparden im Gegenteil in vieler Hinsicht überaus robust sind und eher ganz gewöhnlichen Hauskatzen und Mischlingshunden ähneln als dem Ergebnis vieler Generationen von inzestuösen Verbindungen. Diese Debatte geht keineswegs nur die gefleckte Concorde der Tierwelt etwas an. Wissenschaftler versuchen derzeit die Chancen dafür zu berechnen, dass bedrohte oder gefährdete Tierarten im einundzwanzigsten Jahrhundert überleben werden. Zu den vielen Fragen, die sie in diesem Zusammenhang stellen, gehört auch die, wieviel genetische Variabilität eine Art benötigt, um sich vor dem Abgrund bewahren zu lassen. Inzucht gilt aus zwei Gründen als schädlich für eine Art: Erstens lässt sie unheilvolle Merkmale zum Vorschein kommen und verursacht so Geburtsfehler, Totgeburten und in manchen Fällen auch Unfruchtbarkeit. Zweitens führt sie zu einer genetisch einheitlichen Population, der es an der hinreichenden Vielfalt fehlt, Epidemien und Umweltveränderungen zu widerstehen. Betreibt man an Laborstämmen von Mäusen wiederholt Inzucht, um ein zu untersuchendes Merkmal zu verstärken - beispielsweise die Veranlagung, an Brustkrebs zu erkranken - , werden die Nagetiere am Ende vergleichsweise lethargisch und stumpfsinnig, sie neigen zu Fehlgeburten und Mutationen.
Doch die Wissenschaftler, die das Dogma vom Inzucht-Geparden ablehnen, argumentieren, dass ihre Zoo-Geparden so gut wie nie fehlgebildete Junge haben; sie sind rundum fruchtbar und vital, und ihr Immunsystem zeigt eine hohe Variabilität. Der Gepard mag genetisch armselig wirken, wenn man seine DNS im Visier hat, aber in Bezug auf solche Maßstäbe, wie sie das wahre Leben anlegt - das heißt, auf Fruchtbarkeit, Wurfgröße, Gesundheit der Jungen und Immunantwort - , ist der Gepard voll und ganz fit für dieses neue Jahrtausend. Die Forschungsarbeiten stellen die Gültigkeit eines streng molekularen Ansatzes für die manchmal etwas finstere Wissenschaft von der Arterhaltung in Frage und lassen stark vermuten, dass die Wissenschaftler einfach noch nicht wissen, wie sich bestimmte im Labortest entdeckte genetische Muster zu den Stärken und Schwächen eines wilden Tiers auswachsen. Sie legen überdies die Vermutung nahe, dass Zoos, die ihre Geparden nicht zur
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