Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Unterwäsche in meiner Handtasche die Midinette verließ, beschloss ich, all meinen Mut zusammenzunehmen und Dr. Mader anzurufen. Wenn in Margareten einer über Serienmörder Bescheid wusste, dann er. Außerdem hatte mir das kurze Gespräch mit Frau Klaric über meine Mutter wieder einmal bewusst gemacht, dass ich es dringend nötig hatte, meine Vergangenheit gründlich aufzuarbeiten. Ich litt, genauso wie Orlando, nach wie vor unter einem Mutterkomplex. Es konnte sicher nicht schaden, eine Therapie zu machen.
Davor wollte ich jedoch noch rasch im Möbelhaus Grünbeck vorbeischauen. Ich hatte ohnehin vorgehabt, mir im Abverkauf eine Ausziehcouch zuzulegen, und da Orlando nicht gewillt schien, meine Wohnung bald wieder zu verlassen, brauchte ich dringend eine Schlafgelegenheit für ihn. Schon seit Wochen hatte ich ein Auge auf ein wunderschönes kleines Schlafsofa in Grünbecks Auslage geworfen. Leider war es nicht nur schön, sondern auch sündhaft teuer.
7
Als ich die Margaretenstraße entlangradelte, vernahm ich plötzlich lautes Gekeife. Ein paar alte Frauen standen kreischend am Straßenrand und prügelten mit ihren Stöcken und Regenschirmen auf ein paar nackte Radfahrer ein, die mir entgegenkamen. Ich winkte den Demonstranten amüsiert zu.
„Radfahrer brauchen mehr Platz“, forderten die Veranstalter von „Critical Mass“, einer Gruppe, die jeden dritten Freitag im Monat Fahrrad-Demos quer durch Wien veranstaltete. Sie wollten zeigen, wie nackt und schutzlos sie sich im täglichen Straßenverkehr fühlten. Einige Anrainer goutierten jedoch den Anblick von nur mit Schuhen, Hut oder Bauchtasche bekleideten Männern nicht. Obwohl einer der Teilnehmer ein Transparent mit sich führte, auf dem stand: „Radfahren ist sexy.“
Vielleicht würde diese Demo bei den Wienern besser ankommen, wenn sich auch die Frauen entkleidet hätten, dachte ich. Denn die demonstrierenden Radlerinnen hielten sich bedeckt. Trugen zumindest BH oder Bikini-Oberteil. Aufgemalte Verkehrsschilder und Fahrräder zierten hingegen die nackten Oberkörper der Männer. Sie schienen keine Angst vor den Schlägen der alten Frauen zu haben.
„Man muss halt aufpassen“, sagte einer zu mir, als ich ihn fragte, ob er nicht um sein bestes Stück fürchten würde.
„Außerdem sind die meisten von uns eh nicht so gut bestückt“, sagte sein Freund, der langsam hinter ihm her strampelte.
Lachend gab ich ihm, nach einem Blick auf seinen Schwanz, der sich bei der Kälte verkrümelt hatte, Recht.
Der alteingesessene Familienbetrieb Grünbeck war heute ein exklusives Einrichtungshaus. Stefans Vorfahren waren Möbeltischler gewesen. Sein Vater hatte bereits Architektur studiert und in Nordeuropa gearbeitet. Deshalb hatten sie auch bis heute wunderschöne skandinavische Designermöbel im Sortiment.
Stefan Grünbeck war in dieselbe Schule gegangen wie ich. Nach einer Tasse Kaffee sprach ich mit ihm relativ offen über den Mord im Bacherpark, die Gasexplosion und über den Mordversuch an Orlando.
Stefan wurde sehr nachdenklich. „Bei uns ist kürzlich auch etwas Furchtbares passiert“, sagte er. „Ich weiß nicht, ob du davon gehört hast und natürlich weiß ich nicht, ob dieser Vorfall mit den brutalen Morden irgendwie in Zusammenhang steht. Jedenfalls wurde bei uns eine junge Frau überfallen.“
„Wie bitte? Das darf ja wohl nicht wahr sein“, sagte ich.
„Wir haben die Geschichte nicht an die große Glocke gehängt. Aber wenn ich ihn nicht sozusagen auf frischer Tat ertappt hätte, wer weiß, ob nicht noch Schlimmeres …“
„Erzähl!“, unterbrach ich ihn.
„Sei nicht so ungeduldig, Kafka. Du hast dich überhaupt nicht verändert.“
„Tut mir leid, aber ich platze vor Neugier.“
„Am Faschingdienstag hatten wir nachmittags volles Haus. Nicht nur unsere Stammkunden, sondern auch Freunde und Bekannte waren gekommen, um mit uns ein Gläschen Sekt zu trinken. Wir hatten unten ein kleines Buffet aufgebaut und alle waren bester Laune. Einige unserer Gäste waren maskiert. Auch unsere Angestellten hatten sich verkleidet. Plötzlich vermisste ich eine Aushilfskraft, eine Architekturstudentin, die in den Semesterferien bei uns jobbte. Julia ist sehr wohlerzogen und ich wunderte mich, dass sie sich nicht, wie sonst immer, verabschiedet hatte. Außerdem hatten wir ja noch nicht Geschäftsschluss.“
„Stefan, bitte, mach es nicht so spannend.“
„Ich begab mich auf die Suche nach ihr. Als ich die Stiege zu den neuen
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