Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
waren fünf Kilo schwer.“
„Deshalb litt sie auch ständig unter Kopfschmerzen“, sagte ich nüchtern. „Und wenn ich dir zuschau, krieg ich, ohne fünf Kilo am Schädel, auch gleich welche.“
Während er weiter zärtlich das lange Haar bürstete, erzählte er mir von seiner unglücklichen Liebe zu Bernd Schlacher, dem Besitzer des Motto. „Ich habe ihm schon x-mal gekündigt. Er schafft es immer wieder, mich umzustimmen. Ein zärtlicher Blick, ein verführerisches Lächeln, und sogleich ziehe ich meine Kündigung zurück. Meistens beachtet er mich kaum, flirtet andauernd mit anderen Tussen. Manchmal habe ich sogar Angst, dass er mich verachten könnte. Vielleicht sind ihm Transen zuwider? Was meinst du?“
Ich stellte mich schlafend. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie er, trotz seiner angeblich schlimmen Schmerzen, ein paar eigenartige Turnübungen vor meinem Vorzimmerspiegel machte und danach in meinem Badezimmer verschwand.
2. Akt
6
Ich holte mein altes Steyr Waffenrad aus dem Keller, pumpte beide Reifen auf und fuhr los.
Da Orlando sich weigerte, meine Wohnung ohne neue Brüste zu verlassen, machte ich bei Midinette, dem Laden von Frau Klaric am Margaretenplatz, Halt. Ich kannte Frau Klaric seit meiner Kindheit. Meine Mutter hatte mich öfter mitgenommen, wenn sie bei ihr eingekauft hatte. Ihr damaliges Geschäft in der Pilgramgasse war mir wie das Paradies vorgekommen. Heute ist dort ein Bio-Laden.
Auch die Midinette war einzigartig. Das Angebot überwältigend: von seidener Spitzenunterwäsche über alte Schreibmaschinen bis zu antiquarischen Büchern und getragener Kleidung. Man fand buchstäblich alles bei ihr.
Kaum hatte sie mich erblickt, bestürmte mich Frau Klaric mit Fragen: „Sie waren doch vorgestern dabei, als das Haus am Margaretenplatz in die Luft geflogen ist. Haben Sie eine Ahnung, wer hinter diesem Anschlag steckt? Diese arme junge Serbin! Glauben Sie, dass es sich um ein politisches Attentat handelte, oder um eine Familienfehde? Hier im Bezirk wird so einiges gemunkelt.“
Ähnlich wie Orlando bildete sich Frau Klaric wohl ein, dass ich übersinnliche Fähigkeiten hätte. Sie ging sogar so weit zu behaupten, dass ich, so wie meine verstorbene Mutter, über den sechsten Sinn verfügen würde.
„Meine Mutter war zwar eine Romni, aber deswegen kann ich noch lange nicht hellsehen“, sagte ich lachend.
„Halb Margareten hat sich von Ihrer Mutter die Zukunft voraussagen lassen“, warf sie ein.
„Mag sein. Allerdings war nicht meine Mutter, sondern meine Großmutter eine begnadete Wahrsagerin. Mit Glaskugel und allem Drumherum. Würde sie heute noch leben, wäre sie bestimmt schwerreich. Der Esoterikboom brach leider erst nach ihrem Tod aus.“
Frau Klaric lächelte und fragte mich, welches Sternzeichen ich sei.
„Ich bin ein Stier. Warum?“
„Hab ich’s mir doch gedacht. Sie sind vernünftig, pragmatisch, eigensinnig und neugierig?“
„Genau“, sagte ich lachend und besann mich wieder auf den Grund meines Besuchs.
Da sie an verrückte Sammler und Leute mit ausgefallenen Wünschen gewöhnt war, wunderte sie sich nicht über meine seltsame Frage nach einer Brustprothese. Sie musterte nur meinen vollen Busen mit kritischem Blick. Kramte eine Weile in ihren Regalen herum und reichte mir schließlich zwei unansehnliche fleischfarbene Gebilde aus weichem Material.
„Ist das Silikon?“, fragte ich skeptisch.
„Nein, glaube ich nicht.“
Mir schienen die beiden wabbeligen, brustähnlichen Dinger viel zu groß für den zarten Orlando zu sein.
„Haben Sie das nicht auch in einer kleineren Größe?“
„Tut mir leid. Der Bandagist am Margaretenplatz hätte sie bestimmt in verschiedenen Größen lagernd gehabt. Aber das Feuer nach dieser schrecklichen Gasexplosion hat sein ganzes Inventar vernichtet.“
Ich hatte keine Lust, wegen Orlandos Spinnerei nun die ganze Stadt abzuklappern. Von mir aus konnte aus der schmalbrüstigen Sisi ruhig eine vollbusige Dolly Buster werden.
Da Orlando mich gebeten hatte, bei Frau Klaric auch ein neues Korsett für ihn zu besorgen, fragte ich: „Haben sie altmodische Korsetts?“
Sie zeigte mir ihre Schätze.
„Viel zu groß“, sagte ich.
„Das fleischfarbene müsste Ihnen passen“, wandte sie ein. „Sie werden Ihrer Frau Mama immer ähnlicher“, fügte sie hinzu.
„Hoffentlich nicht“, murmelte ich.
„Warum? Ihre Mutter war eine Traumfrau für all die ausgehungerten Männer ihrer Generation …“
„Aber sie
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