Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Ausstellungsräumen im zweiten Stock hinaufging, hörte ich einen Schrei. Ich nahm die restlichen Stufen im Laufschritt. Ganz hinten im letzten Raum, in dem wir unsere neuen französischen Betten präsentierten, fand ich sie in Tränen aufgelöst und halbnackt auf der Bettkante hockend. Auf dem Boden lagen die Scherben von Sektgläsern und das Bett war total zerwühlt. Als ich zu ihr eilte, stürzte sich ein maskierter Clown, der sich hinter einer Schranktür versteckt hatte, auf mich und schlug mir eine Nachttischlampe auf den Kopf. Er hatte schlecht gezielt, die Lampe streifte nur meine Schläfen. Sein Glied hing schlaff aus seiner offenen Hose. Ich gab ihm einen Tritt zwischen die Beine. Er krümmte sich vor Schmerzen. Die ganze Situation war vollkommen grotesk. Die großen kugelrunden Augen, der grinsende Mund, der ausgestopfte Bauch, die weite offene Hose … Wenn das weinende Mädchen nicht gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich zu lachen begonnen.“
„Und was geschah dann?“
„Leider war mein Tritt nicht hart genug gewesen. Er riss den Polster aus seinem Hemd, warf ihn mir ins Gesicht und rannte davon. Ich lief ihm hinterher, doch die Kleine bat mich schluchzend, bei ihr zu bleiben. Und während ich zögerte, war er verschwunden. Ich rief sofort meinen Vater an, der unten bei den Gästen war. Bei all dem Gelächter hörte er das Klingeln seines Handys nicht. Der Typ entkam also. Später erzählte mir einer der Gäste, dass er dem Clown, der das Geschäft watschelnd wie Charlie Chaplin verlassen hatte, zugeprostet hätte.“
„Und was war mit dem Mädchen?“
„Die arme Julia stand unter Schock. Gott sei Dank war es bei einem Vergewaltigungsversuch geblieben. Wir schickten die Kleine sofort in Therapie zu Doktor Mader und übernahmen selbstverständlich alle Kosten.“
Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, und fragte ganz beiläufig: „Hat er ihr helfen können?“
„Das war wirklich erstaunlich. Schon nach ein paar Sitzungen fragte sie mich, ob sie im Sommer wieder bei uns arbeiten könne. Zum Glück ist ihr nicht wirklich was passiert. Sie hatte zwar ein paar blaue Flecken, weil der Typ sie so brutal aufs Bett gezwungen und ihr die Kleider zerfetzt hatte, aber er hat sie, wie gesagt, nicht vergewaltigt.“
„Weil du aufgetaucht bist. Mein Gott, Stefan, stell dir vor, du hättest sie nicht vermisst. Nicht auszudenken, was er mit ihr angestellt hätte.“
„Du meinst, es könnte sich um diesen Serienmörder handeln?“
„Höchstwahrscheinlich. Oder glaubst du an Zufälle? Ich kann mir nicht vorstellen, dass in unserem Bezirk ein Vergewaltiger und ein Frauenmörder gleichzeitig ihr Unwesen treiben. Hast du die Polizei informiert?“
„Natürlich. Das Blöde war, dass weder das Mädchen noch ich ihnen eine ordentliche Beschreibung des Täters liefern konnten. Er sah halt einfach aus wie ein Clown. Nur dass er keine Clownschuhe anhatte, sondern sehr breite, extravagant aussehende rote Lederschuhe, die bestimmt nicht billig waren.“
„Meinst du diese Gesundheitsschuhe, die es drüben bei Vega Nova gibt?“
„Ja, genau die“, sagte Stefan Grünbeck.
„Hast du den Geschäftsführer von Vega Nova danach gefragt?“
„Du meinst den Gerhard Pogats? Nein, daran habe ich leider nicht gedacht.“
„So ein Mist. Der Pogats kennt sicher viele seiner Kunden persönlich.“
„Die Polizei konnte nicht weiter ermitteln, da Julia keine Anzeige machen wollte, nachdem sie gehört hatte, dass sie sich dann von einem Amtsarzt untersuchen lassen müsste. Außerdem befürchtete sie, dass die Boulevardpresse diese Geschichte ausschlachten würde. Selbstverständlich mussten wir ihre Entscheidung respektieren.“
Ich besann mich nun wieder auf den eigentlichen Grund meines Besuches. Begann mit Stefan über den Preis für das edle skandinavische Zweiersofa zu verhandeln. Wir wurden uns rasch einig. Er ließ mir tatsächlich ein paar Prozent auf den ohnehin reduzierten Preis nach. Ich versprach ihm dafür großspurig, diesen mörderischen Clown zu finden.
„Sei bloß vorsichtig, Katharina!“, rief er mir besorgt nach.
Da ich zu feig war, einfach bei Dr. Mader anzuläuten, ging ich in die Margareta, das jüngste Lokal im Schlossquadrat. Ich wusste, dass er dort manchmal anzutreffen war. Außerdem hatte ich Hunger.
Ich setzte mich an einen der kleinen Marmortische gegenüber der Theke. Schon früher, noch bevor ich im Cuadro zu arbeiten begonnen hatte, war ich gern in der Margareta gesessen.
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