Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
fragte Dr. Mader.
„Nein. Ich trieb mich in Südfrankreich herum. Nahm wieder Kontakt mit den Roma auf und lebte eine Weile in der Camargue. Ich bin eben eine Nomadin. Die Nomaden verständigen sich übrigens untereinander mit einer eigenartigen Sprache, die dem Geschrei der Dohlen ähnlich ist, behauptete zumindest mein berühmter Namensvetter Franz Kafka.“
Ich bemerkte, wie Dr. Mader die Brauen hochzog. Wahrscheinlich hielt er mich für etwas überkandidelt.
„Der Rest ist rasch erzählt“, sagte ich. „Nach seinem Schlaganfall im Sommer 2005 überschrieb mir mein Großvater väterlicherseits sein Haus in Mistelbach. Er war übrigens vierzig Jahre lang Polizist. Wenn schon, dann habe ich mein kriminalistisches Gespür von ihm geerbt und nicht von meinen Roma-Vorfahren. Als Kind hatte ich nie genug von seinen Räuberund-Gendarm-Geschichten bekommen können. Ich kehrte also zurück nach Wien. Verkaufte das alte Häuschen in Niederösterreich und nahm mein Studium wieder auf. Obwohl ich nebenbei immer jobbte, beendete ich mein Geschichtsstudium irgendwann. Ja, und jetzt arbeite ich als Kellnerin im Cuadro und warte auf eine geniale Idee für meine Diss.“
Ich bemerkte, dass Dr. Mader verstohlen auf seine Armbanduhr blickte.
„Verdammt, meine Zeit ist längst um“, stieß ich hastig hervor und sprang auf. Er brachte mich zur Tür. Ich versprach, mich demnächst wieder bei ihm zu melden.
Über meine Vorfahren zu reden hatte mich mehr aufgewühlt, als mir lieb war. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, besuchte ich meinen türkischen Lieblingsladen in der Margaretenstraße fast oben beim Gürtel. Ich plauderte mit Herrn Murdök über das schöne Wetter und die guten Noten seiner kleinen Tochter, die er nächstes Jahr in ein katholisches Privatgymnasium schicken wollte, und kaufte Fladenbrot, Schafkäse und ein paar Eier.
12
An meinen freien Tagen besuchte ich immer meinen Großvater im Seniorenheim Margareten. Heute war ich etwas später dran als sonst. Ich fuhr wieder mit dem Rad. Genoss diesen schönen Frühlingstag. Im Sonnenlicht sah der fünfte Bezirk gleich viel freundlicher aus. Ich fand den Kontrast zwischen den alten Fabriksgebäuden aus dem 19. Jahrhundert, dem einen oder anderen Biedermeierhäuschen und den modernen Wohnbauten durchaus reizvoll. Die Ziegelmauern der aufgelassenen Fabriken schimmerten altrosa in der Frühlingssonne.
In Margareten gab es nicht nur viele begrünte Innenhöfe, sondern vereinzelt auch zweistöckige Häuser mit kleinen Gärten. Die meisten davon lagen noch im Winterschlaf. Vereinzelt wagten sich jedoch die ersten Gräser aus der kalten Erde.
Beim Anblick einer verwahrlosten Gstätten zwischen den Stahlbetonbauten musste ich jedoch wieder an NY denken. Dort war ich zum ersten Mal mit Anhängern des „Guerilla Gardening“ konfrontiert gewesen, die unter dem Motto „Platz für Grün ist überall“ hässliche kleine Baulücken bepflanzt hatten.
Der fünfte Bezirk hatte viele Facetten. Das Schlossquadrat und das ganze Viertel um den Margaretenplatz war bis jetzt noch eine typisch wienerische Insel der Seligen. Gegen Westen begann sich bereits die übliche Großstadtwüste auszubreiten. Das Siebenbrunnenviertel schien fest in türkischer Hand zu sein. „Klein-Türkei“ war längst erwacht. Die türkischen Händler standen heftig diskutierend und gestikulierend vor ihren Läden. Als sie ihre Kebab-Grills anfachten, kehrten ihre Frauen gerade, bepackt mit Einkäufen und Kleinkindern, nach Hause zurück.
Ich überlegte, beim Autohändler Strohmeier in der Embelgasse vorbeizuschauen. Ich hatte letzte Woche einen kleinen gebrauchten Skoda Fabia bei ihm gesehen. War ihn sogar Probe gefahren. Mein Großvater hatte angekündigt, mir zu meinem kommenden Vierziger 4000 Euro schenken zu wollen.
Die vom Wiener Architekten Luigi Blau gestalteten Dächer am Anfang des Siebenbrunnenplatzes glänzten silbern in der warmen Märzsonne. Überrascht registrierte ich, dass der Platz voller Autos war. Offensichtlich alles Neuwagen. „Strohmeiers Autoschau“ stand auf einem großen Transparent.
Ich freute mich schon darauf, eines der neuen Modelle Probe zu fahren, als ich bemerkte, dass sich nicht nur ein ungewöhnlich großes Polizeiaufgebot vor Ort befand, sondern auch ein Teil des Platzes abgesperrt war. Eine Menge Leute stand in kleinen Grüppchen um die rot-weißen Absperrbänder herum.
Ich schob mein Rad zum Café 7-Brunnen und begrüßte Herrn Strohmeier, den Herrn über
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