Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Leidenschaft, die Architektur, zu sprechen kamen, wurde Orlando richtig unausstehlich. Anscheinend rivalisierte er mit Stefan Grünbeck, der Diplomingenieur war, denn er begann nun wieder damit anzugeben, von Herzmanovsky-Orlando abzustammen. Stefan meldete deutliche Zweifel an, blieb aber höflich, während Orlando immer aggressiver wurde. Ich merkte aber, dass auch Stefan nahe am Explodieren war. Als er kurz danach ging, war ich fast erleichtert. Ich fühlte mich heute nicht mehr imstande, einen Streit zwischen zwei meiner Freunde zu ertragen.
„Verdammter …“, schimpfte Orlando.
„Das habe ich jetzt nicht gehört“, wies ich ihn zurecht.
Kaum waren wir allein, weihte Orlando das schicke Sofa ein. Er machte es sich der Länge nach bequem. Überließ mir großzügig die Chaiselongue, die eigentlich keinen Platz mehr in dem kleinen Wohnraum hatte.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte Orlando.
„Ist dir fad oder was?“
„Ich kann ja nicht mehr ins Internet“, murmelte er schmollend.
Ich war nicht gewillt, ihm das Passwort zu verraten.
„Du kannst jederzeit deine Mails abfragen. Aber nur unter meiner Aufsicht“, sagte ich.
Er winkte ab. Begann wieder über Tony zu lästern: „Zwei von seinen Weibern ist er schon losgeworden. Und wer weiß, vielleicht hat er ja Anja auch auf dem Gewissen. Gesehen habe ich ihn jedenfalls mit ihr im Motto. Du willst doch nicht das vierte Opfer werden, oder?“
Ich warf ihm Eifersucht vor. „Du willst mich ganz für dich haben. Auch wenn du sexuell nichts von mir willst, soll ich ausschließlich für dich da sein, stimmt’s?“
Er schien mir nicht zugehört zu haben, schimpfte einfach weiter: „Keine Ahnung, warum ausgerechnet du dich, als echtes Proletenkind, zu solchen Parvenüs hingezogen fühlst.“
„Weißt du was? Wenn du so weitermachst, kannst du dir bald einen neuen Unterschlupf suchen!“ Wütend verließ ich meine Wohnung.
Ich hatte meinen zweiten Termin bei Dr. Mader in seiner Ordination oberhalb des Gergely’s. Er begann sogleich, mich wieder über meine Eltern zu befragen. Ich stieg eher unwillig auf das Thema ein.
„Meine Mutter hat sich hin und wieder als Wahrsagerin betätigt und damit das dürftige Familieneinkommen aufgebessert. Ich glaubte natürlich nicht an diesen Quatsch. Rein theoretisch beherrsche ich all diese Tricks aber. Soll ich Ihnen mal aus der Hand lesen?“, fragte ich ihn augenzwinkernd.
Er reagierte nicht auf meine provokante Frage.
„Mein vernünftiger Vater hat es nicht gern gesehen, wenn sich seine Frau als Hellseherin betätigte. Es kam deshalb oft zu Streitereien, aus denen meine Mutter immer als Siegerin hervorging. Sie schrie und heulte, und er zog sich meistens ins Schlafzimmer zurück. Sprach stundenlang kein Wort mehr mit ihr. Aber das schien sie nicht weiter zu stören, wusste sie doch, dass er nachher wieder angekrochen kommen würde. Wenn ich Zeugin dieser Szenen wurde, genierte ich mich immer für beide. Damals habe ich mir geschworen, niemals so zu werden wie meine Mutter. Als ich klein war, hing ich angeblich an ihrem Schürzenzipfel. Sie erdrückte mich fast mit ihrer Liebe. Als ich ins Gymnasium kam, wandte ich mich mehr meinem Vater zu. Ich bewunderte ihn, seine Intelligenz, sein Wissen, und bemühte mich, eher so zu werden wie er als wie meine temperamentvolle Mutter. Aber könnten wir dieses Thema jetzt lassen? Ich habe so viele Fragen an Sie bezüglich dieser schrecklichen Morde.“ Ich sah ihn bittend an. „Was ist das für ein Mensch? Was geht in einem Mörder vor? Was lässt ihn einen Mord begehen? Ich habe ihr Interview aufmerksam gelesen. Dennoch blieben viele Fragen für mich offen. Inzwischen gab es ja noch einen Mord, insgesamt vier, wenn man die arme Frau, die bei der Gasexplosion ums Leben kam, mitzählt. Ich nehme an, Sie zweifeln jetzt auch nicht mehr daran, dass es sich um einen Serientäter handelt.“
Er sah mich nachdenklich an. „Ich bin mir nicht sicher. Die meisten Serientäter sind relativ jung und unscheinbare oder unattraktive Einzelgänger. Und sehr oft sind sie in der Nachbarschaft der Opfer zu suchen. Sie hatten eine schreckliche Kindheit, litten oft unter einer sehr herrschsüchtigen Mutter und haben eine unglaubliche Wut. Sie versuchen dann, sich an Frauen ganz generell zu rächen.“
„Immer sind die Mütter Schuld“, murmelte ich.
„Nein, das wollte ich damit nicht sagen. Tatsächlich versuchen viele Serienmörder es aber ihrer Mutter heimzuzahlen, indem sie
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