Schön tot: Ein Wien-Krimi (German Edition)
Ersatzobjekte töten.“
„So wie in ‚Psycho‘?“
Er nickte lächelnd.
„Und sie suchen sich nur Opfer aus, mit denen sie meinen, leicht fertig zu werden. Das heißt, der Täter ist auf jeden Fall kräftiger und bildet sich womöglich auch ein, viel cleverer als das Opfer zu sein.“
„Die Wurzeln für diese Grausamkeit liegen also zum Teil in der Kindheit?“
„Ja. Meistens waren die Täter einst selbst ohnmächtige Opfer. Bei allen Fällen von Serien- oder Lustmorden finden wir, wie gesagt, nur männliche Täter. Praktisch alle kommen aus kaputten sozialen und familiären Verhältnissen und sind durch Misshandlungen, sexuellen Missbrauch, Drogen, Alkoholkonsum oder die damit verbundenen Probleme dafür prädestiniert.“
„Warum sind Serienmörder eigentlich fast immer Männer?“, fragte ich.
„Nach meinen Erfahrungen kann ich nur sagen, dass Frauen solche traumatischen Erlebnisse eher zu verinnerlichen scheinen. Anstatt andere zu schlagen, neigen sie dazu, sich selbst mit Alkohol, Drogen oder gar durch Selbstmord zu vernichten. Aber lassen Sie mich ein paar Fragen stellen, damit ich mir selbst klar werde, ob es sich hier um einen klassischen Fall von Serienmord handelt oder nicht. Nahm die Grausamkeit von Mord zu Mord zu?“
„Kann man nicht behaupten“, sagte ich zögernd.
„Das spricht eher gegen einen Serientäter. Eine Steigerung, was die Brutalität betrifft, lässt sich in fast allen Fällen von Serienmorden feststellen. Außerdem ist es für eine Profilerstellung wichtig, ob der Täter ein Verbrechen arrangiert oder inszeniert. Inszeniert wird, um die Ermittler in die Irre zu führen. Der Mörder will sie etwas anders glauben machen, als wirklich geschehen ist. Etwas zu arrangieren wäre eher die ganz bestimmte Handschrift eines Mörders: Das Opfer, die Leiche wird arrangiert, wie ein Gegenstand zurückgelassen, der uns eine Nachricht übermitteln soll. Dabei handelt es sich um ein Verbrechen aus Wut und Machtdemonstration. Fast kommt es mir vor, als würde dieser Täter beides tun, sowohl inszenieren als auch arrangieren.“
Obwohl ich nicht genau begriffen hatte, wovon er sprach, nickte ich beflissen.
„Wurden die Leichen zerstückelt? Das würde zum Beispiel auf fetischistische oder sadistische Phantasien des Täters hinweisen.“
„Nein.“
„Gehen wir die drei Morde, die es bisher gegeben hat, noch mal durch. Lassen Sie uns auf die Analyse des Tatorts und des Opferverhaltens zurückkommen. Warum wurden ausgerechnet diese Frauen aus allen potentiellen Opfern ausgewählt? Wie wurden sie ermordet? Erst nach diesen beiden Fragen können wir uns die eigentliche Frage stellen: Wer hat sie ermordet? Beginnen wir mit dem letzten Mord.“
„Dem Mord im Filmcasino?“
„Ja. Normalerweise muss man sehr kräftig sein, um jemanden erwürgen zu können. In diesem Fall hat der Täter vorher K.o.-Tropfen eingesetzt. Das heißt, er ist nicht außergewöhnlich kräftig oder hat kein Vertrauen in die Kraft seiner Hände. Strangulationen zählen übrigens zu den sogenannten „sanften Morden“. Dies könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei dem Täter um eine Frau handelt. Ich halte das aber eher für unwahrscheinlich. Es bedarf schon gewisser körperlicher Kräfte, um einen menschlichen Körper ans Steuer eines Wagens zu befördern, wie es beim zweiten Mord der Fall war.“
„Frauen, das schwache Geschlecht“, spottete ich. Er sah mich leicht belustigt an.
„Beim zweiten Mord ist der Tatort höchstwahrscheinlich nicht identisch mit dem Fundort der Leiche. Mich erinnert die Ermordung der Juristin übrigens an die Todesstrafe. In einigen US-amerikanischen Bundesstaaten werden die Delinquenten ja nach wie vor mit einer Todesspritze hingerichtet.“
Mir fiel ein, dass Orlando eine ähnliche Vermutung geäußert hatte.
„Die Tote im Bacherpark hatte einen Würstelstand, oder? Und sie wurde mit einer Rumflasche erschlagen. Ihr Mantel bedeckte ihren Kopf, ließ aber ihre Sexualorgane entblößt. Das deutet darauf hin, dass der Täter wegen dieses Mordes Schuldgefühle hatte. Er konnte ihr nach der Tat nicht in die Augen sehen. Anscheinend hat er überhaupt ein Problem mit den Blicken der Toten. Sonst hätte er der Rechtsanwältin die Injektionsnadel nicht ins Auge gestochen. Andererseits hat er Ilona halbnackt liegen gelassen, was ein Signal für seine Moralvorstellungen sein könnte, so unter dem Motto: Diese Frau war eine Hure und hat nichts Besseres verdient.“
„Oh
Weitere Kostenlose Bücher