SCHÖN!
Vergessenheit. Desto mehr ähnelt er Adonis – mit dem Unterschied, dass sein dank der digitalen Retusche ewig junger, fitter, neuer Körper niemals dem Tod preisgegeben werden muss (nur der Mode).
Männer, die nach Beckham’schen Vorbild Identitätsstyling betreiben, sind die Männer der Stunde. Anstatt über die schwindende Bedeutung männlicher Privilegien zu klagen, pflegen sie ihren Körper. Sie geben nicht mehr den Macho, sondern die Sportskanone. Haben sie genug geschwitzt, reißen sie sich die Haare aus. Sie putzen und schmücken sich. Dass es so weit kommen konnte – daran sind eindeutig die Frauen schuld. Bald werden die Frauen dafür büßen müssen. Denn bald wird der modisch-durchtrainierte Mann die schöne Frau in den Schatten stellen.
Aber keine Panik. Noch ist alles beim Alten. Noch ist die Schönheit der Frau ausschlaggebender als die Schönheit des Mannes. Und noch immer bleibt das, was sich hinter dem Wort Schönheit verbirgt, ein großes Mysterium … → Kapitel 3
»Schönheit ist keine Eigenschaft der Dinge selbst.
Sie existiert in dem Geist, der sie betrachtet,
und jeder Geist nimmt eine andere Schönheit wahr.«
David Hume
3 Göttlich, menschlich, magisch?
Warum man über Schönheit so gut streiten kann
Was ist schön? Ein ebenmäßiges Gesicht, eine schlanke Gestalt. Oder: ein muskulöser Po in einem Armani-Slip. Aber birgt das Wort Schönheit nicht viel mehr? Was ist wirklich schön? Schwer zu sagen. Vielleicht hängt unsere Unfähigkeit, das Schöne auf den Begriff zu bringen, ja auch damit zusammen, dass wir uns an einer falsch gestellten Frage abarbeiten. Mit anderen Worten: Es ist gut möglich, dass uns Heidi Klum und David Beckham gefallen, nicht weil sie (objektiv) schön sind, sondern weil wir sie (subjektiv) so wahr nehmen . Schönheit könnte reine Geschmackssache sein. Etwas, das erfreut oder missfällt. Wie ein Auto, ein Buch, ein Film oder eine neue Mode. Die richtige Frage wäre dann: »Was findet jeder Einzelne von uns schön?« Es ist eine Tatsache, dass die Meinungen darüber, ob eine Person schön, attraktiv, hübsch, bezaubernd ist oder nicht, oft weit auseinandergehen. Aber warum stehen dann fast alle Frauen auf George Clooney? Kann das Zufall sein? Und wenn nein, wer hat recht: die Mehrheit, die Clooney gut findet, oder die Minderheit, die in ihm bloß einen müden Abklatsch von Cary Grant sieht?
Wie sehr man über Geschmack streiten kann, zeigt die bitterböse Ehesatire, die James Thurber 1936 in der legendären Zeitschrift The New Yorker veröffentlichte:
Eines Abends unterhalten sich Marcia und Gordon Winship bei einem Drink über Anna Karenina mit Greta Garbo. Während Gordon den Film eher blöd findet, ist Marcia, ein großer Garbo-Fan, begeistert. Gordon hält den Enthusiasmus seiner Frau für völlig übertrieben und wirft ihr mangelnde Distanziertheit vor. Marcia hingegen (ermutigt von einem Scotch mit Soda) mault über Gordons fehlende kritische Wertschätzung und sein nicht vorhandenes Kunstverständnis. Sie fragt ihn betont lässig, welchen toten oder lebenden Schauspieler er denn bitte großartiger fände als die Garbo. Er denkt eine Weile nach, dann sagt er ebenso lässig: »Donald Duck.« Marcia schimpft, dass Gordons Statement ja perfekt zur Seichtheit seines Intellekts und seiner geringen Vorstellungskraft passe. Gordon faucht, dass Donald Duck zehn Mal großartiger sei als Greta Garbo – was jeder mit einem Funken Verstand im Kopf doch sofort zugeben müsse! Sie brechen die fruchtlose Auseinandersetzung ab.
Ein paar Tage danach sind die beiden auf einer Party. Gegenüber einem anderen Gast, einer berühmten Schriftstellerin, erwähnt Gordon beiläufig den Garbo-vs.-Donald-Streit mit seiner Frau – und die Dame ist ganz auf seiner Seite. Leider schnappt Marcia ein paar seiner Worte auf, denkt, er wolle sie öffentlich demütigen, und straft ihn mit eiskalten Blicken.
Im Taxi nach Hause fliegen erneut die Fetzen. Marcia (die ziemlich viele Cocktails gekippt hat) attackiert die Schriftstellerin, verteidigt die Garbo, macht Gordon nieder und wettert gegen Donald Duck. Gordon versucht eine Zeit lang, sich zu erklären. Aber dann antwortet er auf ihren Groll mit noch größerem Groll … dem Groll des missverstandenen Ehemanns. Er schaut sie mit halb geschlossenen Augenlidern an und bemerkt dann kühl, wenn auch etwas undeutlich (auch er hat einige Cocktails intus): »Es ist aus! Aber eins sage ich dir: Donald Duck ist zwanzig Mal
Weitere Kostenlose Bücher