Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
Vom Netzwerk:
gegen vier Uhr. Das Café war um diese Zeit wenig besucht. Kupfer gab an der Theke seine Bestellung auf und setzte sich an einen Fensterplatz. Er fror immer noch, obwohl er Mantel und Schal angelassen hatte. Kein gutes Zeichen, dachte er und schüttete, gegen seine Gewohnheit, reichlich Zucker in seinen Tee mit Rum. Als er an dem heißen Getränk vorsichtig nippte, beschlug seine Brille. Er musste sie einen Moment abnehmen.
    Mit zusammengekniffenen Augen sah er, wie Breitfeld das Lokal betrat. Er sah genau so aus, wie er sich am Telefon beschrieben hatte: gescheiteltes dunkles Haar, groß und schlank, brauner Wollmantel mit einem dunklen Schal. Er hatte allerdings nicht erwähnt, dass er immer noch hinkte. Dr. Breitfeld seinerseits erkannte auf den ersten Blick, wer ihn erwartete. Außer Kupfer saßen nämlich nur junge Leute an den Tischen, ein Pärchen stand an der Bar, so dass der Kriminalbeamte leicht auszumachen war. Ein kurzer Blickkontakt genügte, und der junge Arzt kam freundlich lächelnd auf Kupfer zu und streckte ihm seine Rechte entgegen, als wollte er einen alten Bekannten begrüßen. Kupfer machte eine abwehrende Handbewegung.
    »Lieber nicht. Ich bin stark erkältet«, entschuldigte Kupfer seine Zurückhaltung. »Halten Sie lieber Abstand zu mir oder Sie brauchen bald einen Arzt.« Seine Heiserkeit war nicht zu überhören.
    Breitfeld lachte Kupfer heiter an.
    »Ohne Arzt eine Woche, mit Arzt sieben Tage, aber auf jeden Fall sollten Sie in Ihrem Zustand zu Hause bleiben.«
    »Meine Frau würde Ihnen Recht geben. Sie meinte heute früh schon, ich solle nicht den pflichtbewussten Beamten spielen. Aber ich will eben heute unbedingt mit Ihnen reden.«
    »Hoffentlich lohnt sich das Gespräch. Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Wenn alles so einfach wäre!«, lachte Kupfer. »Das war nichts als Routine. Wir wussten ja, wo die Rettungssanitäter Sie hingebracht hatten. Wie geht es Ihnen?«
    »So weit wieder ganz gut. Ich hoffe, dass die Physiotherapeuten mich wieder ganz hinkriegen. Mein linkes Bein will noch nicht so recht, und es zwickt und zwackt auch an anderen Stellen noch.«
    »Sie waren sehr schwer verletzt?«
    »Kann man wohl sagen. Das Schlüsselbein war gebrochen, der linke Oberschenkel auch und dann noch ein Riss im Becken, von der schweren Gehirnerschütterung einmal ganz abgesehen. Ich bin froh, dass ich den Crash überhaupt überlebt habe, das kann ich Ihnen sagen.«
    »Ich habe den Polizeibericht natürlich gelesen. Aber ich würde gerne auch Ihre Darstellung hören. Wie ist denn der Unfall passiert?«
    »Von dem Unfall selbst weiß ich gar nichts mehr. Typische Amnesie nach schwerer Gehirnerschütterung. Ich erinnere mich nur noch an das, was vorher passiert war. Lipp und ich hatten an dem Tag zur selben Zeit Dienstschluss und gingen zum Tennis. Er spielte ja sonst am Weißenhof, aber ich hatte ihn zu meinem Club eingeladen, auf eine Revanche. Haben Sie einmal Tennis gespielt?«
    Kupfer schüttelte den Kopf.
    »Nur Pingpong.«
    »Dann kennen Sie dieses ehrgeizige Getue mit Revanche und so weiter vielleicht nicht. Wenn mich dieser idiotische Ehrgeiz nicht so getrieben hätte, hätte ich mich nicht zu Lipp ins Auto gesetzt und könnte jetzt noch Tennis spielen. Aber damit ist es jetzt aus. Wir fuhren also von der Klinik mit seinem Auto zum TC Weiß-Rot hoch, die Anlage liegt an der Rotenwaldstraße, und spielten dort unser Match. Ich hätte nicht zu ihm ins Auto steigen sollen, ich wusste doch, dass er wie ein Verrückter fuhr. Dafür war er ja berüchtigt. Aber für ihn war es ganz klar, dass er fährt. Sich in meine alte Kiste zu setzen, wäre unter seiner Würde gewesen. Das ist auch so ein lächerliches Detail. All diese Typen, die mit ihren neuen Schlitten am Tennisplatz vorfahren, lassen sich nie von einem mitnehmen, der ein billigeres Auto fährt, auch wenn es manchmal das Nächstliegende wäre. Und so war er auch drauf. Ich hatte also mein Auto hier stehen lassen, und er sollte mich in die Stadt zurückfahren. Wir wollten ohnehin nach dem Match in der Stadt etwas essen gehen. Und schon als wir hinauffuhren, raste er mir zu schnell.«
    »Haben Sie nicht protestiert?«
    »Schon, aber wohl nicht energisch genug. Dann haben wir fast anderthalb Stunden hart gekämpft. Er war sehr ehrgeizig und spielte gut und hat auch immer davon geredet, wie gut er war. Aber an dem Tag war ich dummerweise ein klein wenig besser, vielleicht wegen meinem Heimvorteil. Das hat ihn offensichtlich geärgert.

Weitere Kostenlose Bücher