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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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leider krankmelden. Bin ganz wackelig auf den Beinen und habe Fieber. Tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Bin eben erst aufgewacht«, krächzte er in den Hörer.
    »Okay, schon gut. Dann müssen wir dich heute nicht riechen.«
    Kupfer war noch zu benommen, um die scherzhafte Stichelei gleich zu begreifen.
    »Was?«
    »Nicht riechen, sondern vertreten. War wohl diesmal nichts mit deiner Knoblauchsuppe.«
    »Ach so. Ich sage dir, mir war gestern absolut nicht mehr nach Suppekochen. Nach dem Gespräch mit Breitfeld war ich so fertig, dass ich in der S-Bahn eingeschlafen bin. Bin erst in Herrenberg aufgewacht und dann mit dem Taxi heim, sonst wäre ich vielleicht erfroren. So hab ich mich gefühlt.«
    »Du Armer! Das war nicht ganz billig. Hat sich der teure Termin wenigstens gelohnt?«
    »Hmmm«, knurrte Kupfer. »War schon interessant. Ich erzähl dir das später, im Moment nur so viel: Ein besonderer Sympathieträger war Ferdinand Lipp nicht.«
    »Das Gespräch war also doch nicht so dringend?«
    »Hmmm«, grunzte Kupfer
    »Dann bleib wenigstens jetzt im Bett und schone dich. Und schwätz nix mehr. Denk an deine Stimme. Du hörst dich an wie eine alte Gießkanne.«
    »Danke für das Kompliment. Was war in Krumms Kisten?« Kupfer musste husten.
    »Siggi, du bist doch krank!«
    »Aber nicht tot.« Wieder hustete er. »Jetzt sag es halt.«
    »Nichts Interessantes, wenn man davon absieht, dass die Klamotten alle teuer und brandneu sind. Der Junge muss sich gründlich gehäutet haben, schneller als jede Schlange: die meisten Klamotten ab in die Altkleidersammlung oder sonst wohin und dann neue her, inklusive Sportkleidung, Schistiefel, besondere Laufschuhe, alles, was junge Leute laut Werbung heute brauchen. Die Scheckkarten haben ja alle gut funktioniert.«
    »Sonst nichts?«
    »Nichts. Keine Unterlagen, kein PC, kein Notebook. Die hat er offensichtlich schon weggeschafft. Wahrscheinlich lagen sie bei der Hensler direkt vor deiner Nase.«
    »Höchstwahrscheinlich. So schnell kommen wir da nicht ran. Dann schaue ich heute eben mal Lipps Post durch.«
    »Ich denke, du bist krank. Schlaf dich lieber aus.«
    »Doch nicht den ganzen Tag. Ich melde mich irgendwann.«
    »Ja, irgendwann. Lass dir Zeit und werd erst mal wieder gesund.«
    Eine halbe Stunde später saß Kupfer rasiert und geduscht im Bett. Er mochte nichts essen, ließ aber eine große Kanne grünen Tee mit Orangensaft Schlückchen für Schlückchen in sich hineinrinnen. Dabei versuchte er, sich durch Lipps Post durchzuarbeiten.
    Das fiel ihm aber nicht so leicht, wie er gedacht hatte. Da auf den meisten Umschlägen kein Absender vermerkt war, riss er einen nach dem andern auf. Die meisten enthielten Kontoauszüge, die er nach ihren Nummern ordnete und in kleinen Stapeln vor sich auf der Bettdecke anordnete. Bis ein heftiger Hustenanfall ihn und die Bankauszüge durcheinanderschüttelte. Die Übersicht war dahin. Er wollte laut schimpfen, aber sein Kehlkopf mochte das gar nicht. Missgelaunt schlüpfte er in Bademantel und Hausschuhe, raffte den ganzen Haufen Papiere zusammen und setzte sich damit an den Wohnzimmertisch.
    »Siggi, was machst du da? Bleib doch im Bett. Das hat doch alles Zeit.«
    »Irgendwas muss ich tun, sonst …«
    »Was sonst?«
    »Ich muss einfach etwas tun«, knurrte er unwirsch.
    »Du musst es ja wissen!«
    Marie trat wortlos den Rückzug an.
    Kupfer ordnete die Auszüge von neuem und versuchte dann, sich von den Kontenbewegungen ein Bild zu machen. Am übersichtlichsten war Lipps Gehaltskonto: regelmäßige Eingänge und Ausgaben für Alltägliches und die Nebenkosten für die Wohnung. Was die Regelmäßigkeit betraf, sah dieses Giro ähnlich wie sein eigenes aus, nur war es viel üppiger ausgestattet. So üppig, dass am Monatsende immer ein ansehnlicher Restbetrag übriggeblieben war, so dass sich im Laufe der Zeit ein bequemes Polster angehäuft hatte. Nach Lipps Tod war es allerdings rasant geschrumpft, so schnell wie ein Luftballon, den man aufgeblasen loslässt, so dass er zischend eine Spirale durch die Luft beschreibt und dann schlaff und leer auf den Boden fällt. Es gab zahlreiche Abbuchungen verschiedener Bekleidungshäuser. Offensichtlich hatte sich dieses Polster in beachtlichem Tempo in den Inhalt von Krumms Kleiderkisten verwandelt. Die Kreditkarten hatten es ermöglicht. Plötzlich stutzte Kupfer. Jeweils am Ende der letzten drei Monate, die er überschauen konnte, waren aus dem Gehaltskonto per Dauerauftrag 600 Euro

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