Schönbuchrauschen
dürfte?«
»Liebe Frau Kussmaul«, belehrte er sie, »in den neuen Wohnungen gibt es meist ein Gäste-WC, in dem keine Haarbürste herumliegt. Außerdem wird diese blöde Beschaffung von Beweisstücken in den primitivsten Fernsehkrimis praktiziert. Mit so einer dummen Ausrede hätte ich mich bloß blamiert. Für doof halte ich diese Frau nämlich absolut nicht.« Dabei konnte er seinen Ärger nicht ganz verbergen.
»Okay, begriffen. Jedenfalls kann ich Sie nur bewundern. Ich hätte das nicht fertiggebracht, mich hätte es gewürgt. Für diesen heroischen Einsatz haben Sie zwei, drei Tage Bettruhe verdient«, sagte sie halb ernst, halb im Scherz. »Am besten, Sie gehen jetzt gleich nach Hause und tun etwas für sich.«
»Sollte ich vielleicht. Lipps Post kann ich auch zu Hause lesen. Wenn Sie wüssten, wie mir der Schädel brummt! Ich gehe heim und greife zu meiner Rosskur.«
»Und die wäre?«
»Zwei Teller richtig heiße Knoblauchsuppe, eine halbe Flasche Rotwein und dann ins Bett. Das mache ich. Dann bin ich morgen vielleicht wieder fit.«
»Und ich und Ihre Kollegen?«
»Meine Kollegen? Die haben die Wahl: Entweder sie müssen mich morgen riechen oder vertreten.«
»Oh! – Und wie sieht es mit mir aus?«
Er schaute sie einen Moment mit gerunzelter Stirn an.
»Sie sollten heute Abend zum Griechen gehen und etwas mit Tsatsiki essen.«
Damit stand er auf und zog seinen Mantel an.
»Wenn was ganz Dringendes sein sollte, dürfen Sie mich anrufen, aber nur …«
»Nur wenn’s brennt, okay, wie immer.«
Als Kupfer nach Hause kam, war Marie in der Stadt. Er kochte sich seine Knoblauchsuppe und aß sie, so heiß es ging, wobei er seinen Schlund zwischendurch mit Rotwein kühlte. Dann packte er sich ins Bett und schlief ein.
Als er am nächsten Morgen viel später als sonst im Büro erschien, wurde er freudig begrüßt.
»Oh, Sie kommen ja doch! Ich dachte schon, Sie müssten heute das Bett hüten. Ihre Knoblauchsuppenkur war also ein voller Erfolg?«
»Ein Teilerfolg.« Seine Stimme klang heiser. »Das Kopfweh ist weg«, er schluckte, »aber meine Stimme scheint sich auch verabschieden zu wollen. Aber ich muss ja nicht viel reden.«
»Das ist vielleicht auch besser so«, sagte Paula Kussmaul spitz und streckte schnuppernd die Nase in die Luft.
»Riechen Sie was?«
»Noch nicht. Wenn es bei diesem Abstand bleibt, dann …«
»Ist die DNA schon da?«, unterbrach sie Kupfer.
»Die hat Herr Feinäugle.«
Er rief ihn sofort an.
»Feinäugle, was ist mit der DNA? Haben wir ein Ergebnis?«
»Ein Ergebnis schon, aber ein negatives. Die Hensler war’s nicht. Aber von dem Weib, das in Lipps Wohnung war, stammt das Haar vom Tatort Neue Brücke.«
Kupfer knurrte missmutig.
»Reg dich nicht auf. Auch das ist ein Ergebnis. Wir wissen doch jetzt, dass die Hensler den Krumm nicht umgebracht hat, aber in seiner Wohnung wohnt! Und die Spusi hat eindeutig nachgewiesen, dass die Frau aus dem Schönbuch als Letzte in Lipps Wohnung war. Die Hologramme zeigen die Fußabdrücke auf dem Teppich ganz deutlich: die häufigsten und ältesten sind von Lipp selbst, dann kommen die von Krumms Quadratlatschen, Größe 46, und dann die Abdrücke von vergleichsweise kleinen Damenschuhen Größe 38. Man kann davon ausgehen, dass die zierliche Dame als Letzte in der Wohnung war. Sie hat zuerst den Krumm umgebracht und ist dann in Lipps Wohnung und hat da irgendwas gesucht oder geholt. Im Papierkorb neben dem Schreibtisch wurde ein leerer silberner Bilderrahmen gefunden, daraus dürfte ein Frauenfoto entfernt worden sein. Dazu könnten auch zwei leere Fächer in Lipps Kleiderschrank passen. Die andern sind nämlich alle gesteckt voll. Damit kann man doch zunächst mal zufrieden sein.«
»Du vielleicht«, antwortete Kupfer heiser. »Ich bin heute mit gar nichts zufrieden.«
»Dann geh doch wieder heim und leg dich ins Bett.«
»Geht nicht. Ich muss nach Stuttgart. Ich habe eine Verabredung mit dem Breitfeld, der mit dem Lipp zusammen verunglückt ist. Das hak ich noch ab. Wird mich schon nicht umbringen.«
Trotzdem sagte Feinäugle noch »Gute Besserung«, ehe er auflegte.
13
Kalt war es überall, aber auf der Treppe zum Kleinen Schlossplatz schlug Kupfer ein besonders eisiger Wind entgegen. Mit der einen Hand drückte er seinen Mantelkragen an den Hals, mit der anderen hielt er sich seinen Schal vor Mund und Nase. So ging er leicht gebeugt auf das kleine Café zu, wo er sich mit Dr. Breitfeld verabredet hatte.
Es war
Weitere Kostenlose Bücher