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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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man ihm lassen. Er war nie rechthaberisch, man konnte mit ihm eine Diagnose und einen Therapieplan offen diskutieren. Er war immer freundlich, auch wenn er einen nie zu nahe an sich herankommen ließ.«
    »Ich muss noch einmal auf seine Tennispartnerin zurückkommen. Können Sie diese Frau beschreiben?«
    »Nicht sehr groß, jedenfalls unter eins siebzig, kurzes braunes Haar, schmales Gesicht, gute Figur, sehr sportlich. Sie spielte richtig gut. Sie hatte relativ lange Beine, das weiß ich noch, das ist mir beim Spiel aufgefallen. Sie konnte wahnsinnig schnell laufen.«
    »Dann war das ein erfolgreiches Doppel?«
    »Unbedingt. Meine Frau und ich haben jedes Mal haushoch verloren. Sonst würde ich mich vielleicht gar nicht mehr an sie erinnern.«
    »Dann lernten Sie Lipps Tennispartnerin nie richtig kennen?«
    »Nein, eigentlich nicht.«
    »Und andere Leute im Club?«
    »Das weiß ich nicht. Ich hatte nur immer den Eindruck, dass sie dort ebenso Gast war wie ich.«
    »Hat Ihnen Lipp jemals von seiner Studienzeit erzählt?«
    »Aber ja. Von seiner Zeit in Tübingen hat er immer wieder geschwärmt. Nach allem, was er erzählte, hat er die voll genossen. Das Studium muss gut gelaufen sein. Er war wohl so ein Überflieger, dem alles leichtfällt.«
    »Und so einer fährt sich zu Tode«, sagte Kupfer mit leichtem Kopfschütteln.
    »Und nimmt fast noch einen mit«, ergänzte Dr. Breitfeld nicht ohne Sarkasmus.
    Während des Gesprächs hatte sich Kupfer immer schlechter gefühlt. Eine unangenehme Kälte war ihm die Beine hochgekrochen, was er natürlich für sich behielt. Eigentlich wollte er mit Breitfeld zusammen das Café verlassen. Aber als sein Gesprächspartner sich vor dem Café von ihm verabschiedete, sagte er: »Ich brauche noch einmal etwas Warmes.«
    Er ging wieder an seinen vorherigen Platz zurück und trank noch einmal einen heißen Tee mit Rum. Dann machte er sich auf zum Hauptbahnhof. Er kam sich viel schwerer vor, als er war, und hatte das Gefühl, Bleiklötze an den Füßen zu haben. Der Rückweg über die Königsstraße kam ihm nun dreimal so lang vor. Er war froh, als er endlich in der S-Bahn saß.
    Die Angst, dass er zu weit fahren könnte, hielt ihm zunächst die Augen offen. Er fühlte seinen Puls und schätzte ihn auf etwas über hundert. Dann fielen ihm doch die Augen zu. Die Ansagen von Stadtmitte, Feuersee und Schwabstraße hörte er noch. Dann träumte er, dass Dr. Breitfeld in Mantel und Schal auf einem vereisten Tennisplatz hin und her hinkte, ihm einen Tennisschläger leihen wollte und gleichzeitig ausrief, man könne in dieser Kälte unmöglich spielen. Wann er denn sonst Zeit hätte? Kupfer wollte ihm sagen, dass er doch gar nicht Tennis spiele. Aber er konnte nicht laut rufen, weil ihm der Hals so schmerzte, und Dr. Breitfeld stand auf der anderen Seite an der Grundlinie und war für ihn nicht zu erreichen. Plötzlich war es still. Er fühlte, wie ihn jemand am Arm anfasste.
    »Wollen Sie nicht auch aussteigen?«
    Er schlug die Augen auf.
    »Ja, ja, sofort«, sagte er verwirrt.
    »Endstation. Herrenberg«, sagte die freundliche ältere Dame, die ihn geweckt hatte.
    Wie ein Traumwandler stieg er aus. Auch hier schneidender Wind. Er zitterte am ganzen Leib. Einen Moment dachte er daran, wieder in die S-Bahn zu steigen und zu warten, bis der Zug wieder zurückfuhr. Aber er hatte Angst, wieder einzuschlafen, und er wollte nicht mehr frieren. Unentschlossen trippelte er auf dem kalten Bahnsteig hin und her.
    »Das muss ich mir jetzt einfach leisten«, sagte er nach einer Weile und steuerte eines des Taxis an, die auf dem Bahnhofsplatz bereitstanden.
    Schwer atmend kam er zu Hause an und legte sich sofort ins Bett. Als Marie ihm den Lindenblütentee – ihr Hausrezept, auf das sie schwor – ans Bett brachte, war er schon eingeschlafen.

14
    »Ich hab mir schon überlegt, ob ich dich nicht wecken soll«, sagte Marie, als er ins Badezimmer wankte.
    »Wie spät ist es?«
    »Kurz vor zehn.«
    Kupfer brummte etwas Unverständliches vor sich hin und schleppte sich ins Bad. Das Gesicht, das ihn aus dem Spiegel anschaute, gefiel ihm gar nicht: bleich wie eine gekalkte Wand und dunkle Augenringe, obendrein unrasiert. Wenn ich in zehn Jahren so aussehe wie jetzt, will ich lieber vorher sterben, dachte er. Dann spritzte er sich kaltes Wasser ins Gesicht, spülte seinen Mund aus und setzte sich wieder ins Bett. Er griff nach dem Telefon und rief in seiner Dienststelle an.
    Feinäugle nahm ab.
    »Muss mich

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