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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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an dieselbe Adressatin geflossen, an eine gewisse Andrea Lorenz. Kupfer wurde hellwach.
    »Schon wieder ich«, meldete er sich bei Feinäugle. »Horch, da gibt es von einem Konto drei Zahlungen von 600 Euro an eine Dame.«
    »Wie heißt die Glückliche?«
    »Andrea Lorenz. Bei dem, was ich von Lipps Post habe, überblicke ich ja bloß die letzten drei Monate. Könntest du bitte bei der Bank anfragen, seit wann der Dauerauftrag läuft?«
    Er nannte ihm die Bankverbindungen.
    »Du denkst an Alimente?«
    »Klar. Nach Dr. Breitfeld war Lipp hinter allem her, was einen Rock anhat.«
    »Gut, ich geh der Sache nach. Und du schläfst jetzt weiter.«
    »Jetzt nicht. Sonst liege ich die ganze Nacht wach. Es wäre übrigens nett, wenn du mir durchgibst, was sie dir sagen.«
    Dann setzte Kupfer seine Sichtung der Bankbriefe fort. Da gab es ein paar sehr voluminöse Konten: eines mit der Praxismiete, ein weiteres mit den Einkünften von drei großen Mietshäusern im Stuttgarter Süden. Der Natur der Sache entsprechend waren auch hier die Eingänge regelmäßig. Nicht so die Abflüsse. Sie waren unregelmäßig, mal ein paar Tausend hier, mal ein paar Tausend da, bis hin zu mehreren fünf- und sechsstelligen Beträgen.
    Dieses Durcheinander mochte Kupfer gar nicht. Er bekam wieder leichte Kopfschmerzen, und trotz seiner Lesebrille verschwammen die Zeilen immer wieder vor seinen Augen. Viel mehr erschloss sich Kupfer nicht mehr. Zum einen, weil ihm die Entdeckung dieser Alimentenzahlung im Kopf herumging und er sich fragte, was es damit wohl auf sich hatte, zum andern, weil er auf eine Art Finanzpool gestoßen war, dessen Zu- und Abgänge zu sehr durcheinanderliefen. Für so einen Wirrwarr hatte er einfach keinen Kopf mehr. Er packte die Papiere zusammen und gab auf. Dann legte er sich wieder ins Bett und tat mit dem Rest des Tages, was er eigentlich nicht beabsichtigt hatte: Er verdöste ihn.

15
    Und das blieb auch noch die nächsten drei Tage so. Kupfer ging es miserabel. Er aß kaum etwas, ein deutliches Zeichen dafür, dass er richtig krank war. Marie musste ihn sogar immer wieder zum Trinken auffordern. Aber am vierten Tag stand er für ein paar Stunden auf, und einen Tag später setzte er seine Ermittlungen telefonisch fort. Er verschaffte sich die Adresse des Vermögensverwalters der Familie Lipp, einer Stuttgarter Kanzlei in der Nähe des Marienplatzes. Er meldete sich an.
    Zwei Tage später sprach er dort gegen Mittag vor.
    »Der Herr Doktor Klarwasser bittet Sie, sich noch kurz zu gedulden. Sie dürfen so lange hier Platz nehmen«, sagte die Sekretärin in einem Ton, als sei es eine Gnade, dass ihr Chef bereit war, mit Kupfer zu sprechen. Kupfer setzte sich auf einen unbequemen Stuhl, andere gab es nicht, und wartete darauf, dass gleich jemand das Büro des Notars verlassen würde und er an der Reihe wäre. Aber es kam niemand heraus. Der Notar schien mit äußerst wichtigen Geschäften befasst zu sein. Schließlich ertönte ein Summton.
    »Der Herr Doktor Klarwasser erwartet Sie jetzt«, sagte die Sekretärin, indem sie flüchtig von ihrem Bildschirm aufsah. Als Kupfer durch die Tür ging, stöckelte sie ihm eilig mit einer Unterschriftenmappe hinterher. Und noch ehe der Notar ihn begrüßen konnte, sagte sie: »Herr Dr. Klarwasser, Sie sollten bitte noch die paar Briefe unterschreiben. Die müssen heute noch raus, und ich …«
    Er sagte nichts und streckte nur seine Hand aus. Sie legte ihm die Mappe vor, wobei sie sich leicht nach vorn beugen musste, und behielt diese devote Haltung bei. Ob trotz oder wegen ihres tiefen Ausschnitts, konnte Kupfer nicht erkennen. Dr. Klarwassers Seitenblick nahm er aber wohl war.
    »Einen Moment bitte, Herr Kriminalhauptkommissar.«
    Der Notar machte sich ans Unterschreiben. Kupfer stand mitten im Raum und sah ihm zu. Er konnte sich diesen dicken Menschen auch in einer anderen Kluft vorstellen. Er nahm ihm in Gedanken seine halbe Lesebrille ab, die er zierlich funkelnd auf seiner von violetten Adern durchzogenen Fleischnase balancierte, und setzte ihm dafür ein weißes Schiffchen auf den breiten Schädel, so dass es etwas in die Stirn hineinragte. Dann zog er ihm die Weste aus, band ihm die rote Fliege mit den schwarzen Punkten ab und ersetzte sein weißes Hemd durch ein graues aus grobem Stoff mit dünnen blauen Längsstreifen – und der Metzgermeister war fertig. Zu dieser Vorstellung passten auch die fetten Hände mit den kurzen Fingern, welche die Unterschriftsmappe umblätterten

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