Schönbuchrauschen
und eine ebenso schwungvolle wie unleserliche Unterschrift unter die Briefe kratzten.
»So«, sagte er schließlich, klappte die Unterschriftenmappe zu und schob sie zur Seite.
»Dankeschön«, sagte die Sekretärin, nahm die Mappe auf und wurde wieder gerade. Flink stöckelte sie zur Tür zurück. Kupfer hätte sich nicht gewundert, wenn sie nun einen Knicks gemacht hätte.
Als sich der Notar Kupfer zuwandte, indem er sich laut räusperte und seine Fliege zurechtrückte, verblasste das Bild des Metzgermeisters.
»Jetzt zu Ihnen, Herr Kriminalhauptkommissar. Ich begrüße Sie.«
»Kupfer, nur Kupfer, das reicht. Guten Tag.«
»Herr Kupfer also, Herr Kupfer. Ich nehme an, Sie kommen in dienstlichen Belangen zu uns.«
»Ja. Es geht um einen komplizierten Fall, den ich Ihnen nicht zur Gänze auseinandersetzen darf. Nur so viel: Wir brauchen Einblick in die Vermögensverhältnisse eines Ihrer Klienten. Und zwar handelt es sich um Dr. Ferdinand Lipp. Wie Sie sicher wissen, ist Herr Lipp ums Leben gekommen.«
»Ööh, ja, natürlich, sehr tragisch, absolut furchtbar.«
»Der Pächter der Lippschen Praxis hat uns an Sie verwiesen. Sie seien der Vermögensverwalter der Familie.«
»Ööh«, machte der Notar verlegen. »Ööh, was soll ich Ihnen sagen, Herr Gold …«
»Kupfer, nicht Gold.«
»Entschuldigung, Herr Kupfer. Ööh, wir waren es bis zum Tod von Herrn Dr. Lipp senior. Bis zu dem Zeitpunkt ging alles über unseren Schreibtisch. Aber seither, ich sage Ihnen … Chaos, einfach Chaos, ööh, der junge Herr hat uns nicht etwa von unseren Aufgaben offiziell entbunden, das hätten wir ja verstehen können, wenn er jemand anderes beauftragt hätte. Aber nein, er hat alles beim Alten gelassen, ööh« – der nächste Satz schien ihm nicht leicht zu fallen –, »aber uns immer wieder ins Handwerk gepfuscht, so dass wir die Akte Lipp kaum mehr angefasst haben. Ich sage Ihnen, da wurden Gelder abgezogen, da wurden Riesenbeträge ins Ausland überwiesen. Neuerdings fließen offenbar Mieteinnahmen regelmäßig auf ein Schweizer Nummernkonto ab. Ob da noch Rücklagen für Renovierungen angespart werden, kann ich nicht mehr beurteilen. Das wurde einfach total unübersichtlich, und, ööh, wie soll ich sagen, Dr. Lipp junior war uns gegenüber, ööh, beratungsresistent.«
»Und nach seinem Tod? Was passiert jetzt?«
»Nichts. Absolut nichts. Es gibt natürlich kein Testament, er wollte ja keines machen, ööh, entgegen unserem Rat natürlich, und wir warten jetzt, bis sich jemand meldet, ööh, eine reelle oder eine juristische Person, das ist uns gleichgültig, ööh. Wir müssen nur inzwischen dafür sorgen, dass die Steuern bezahlt werden.«
Der Notar fing an zu lachen.
»Stellen Sie sich vor, da gibt es Einkünfte, die praktisch niemandem gehören und die dennoch versteuert werden müssen. So was Komisches! Aber das macht schon der Steuerberater der Familie, der übrigens auch gute Lust hätte, ööh, den ganzen Bettel hinzuschmeißen.«
»Darf ich fragen, wer Ihr Sozius ist?«, fragte Kupfer, der sich über Dr. Klarwassers ständiges »Wir« wunderte.
»Mein Sozius? Niemand, ööh, ich hatte einen, aber schon lange nicht mehr. Warum?«
»Hat mich eben interessiert«, wich Kupfer seiner Frage aus. »Man weiß also nicht, wer erbt?«
Der Notar ließ seine mächtigen Schultern zucken.
»Nach unseren Erkenntnissen hat Herr Lipp ein Kind«, sagte Kupfer, als handelte es sich um etwas Selbstverständliches.
»Was?« Der Notar fiel aus allen Wolken. »Davon wissen wir nichts.« Er schüttelte den Kopf. »So was, und davon wissen ausgerechnet wir nichts!« Dann fand er zu seiner Fassung zurück und redete in rein geschäftlichem Ton weiter. »Der Erblasser ist ja noch nicht einmal drei Monate tot. Wer Ansprüche anzumelden hat, wird schon vorstellig werden.«
»Wo es sich ja um ein sehr großes Vermögen handelt, soweit ich informiert bin,« hakte Kupfer nach.
Dr. Klarwasser beugte sich etwas vor uns deutete mit seinem Bratwurstzeigefinger auf Kupfer. »Sie und ich, Herr Gold …«
»Kupfer.«
»Entschuldigung, Herr Kupfer. Sie und ich wären gemachte Leute, wenn wir nur die Hälfte, was sag ich, ööh, wenn wir gemeinsam ein Viertel davon hätten. Alte Ärztedynastie, nie viel verloren. Denken Sie doch, schon der Großvater von diesem jungen Herrn hatte eine große Praxis in Stuttgart, der Vater hat sie geerbt, konnte sich sozusagen ins gemachte Bett legen und hat die Praxis erweitert. Und schon der
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