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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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etwas Rouge aufgelegt und die Lippen geschminkt. Trotzdem sah sie müde aus. Ihre Augenränder waren leicht gerötet, und das Make-up konnte die dunklen Ringe nicht ganz überdecken.
    Kupfer hatte sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, sie nicht nach ihrem Verhältnis zu Lipp zu befragen, und war gespannt, ob sie es von sich aus erwähnen würde.
    »Wie geht es Ihnen, Frau Lorenz?«, fragte er freundlich.
    Sie atmete tief ein, machte eine hilflose Handbewegung und zog die Achseln hoch.
    »Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir verstärken die Streifen dort draußen in Ihrem Viertel. Und es ist nicht anzunehmen, dass Ihnen so etwas ein zweites Mal passiert.«
    Sie seufzte genervt, winkte ab und schüttelte den Kopf. Sie haben leicht reden, schien sie zu sagen.
    »Das versuche ich mir auch immer wieder einzureden«, sagte sie stattdessen. »Alle versuchen das, meine Eltern, meine Kolleginnen, aber es nützt nichts. Ich kann kaum mehr schlafen. Ich brauche bloß die Augen zuzumachen, dann sehe ich mich in mein Auto einsteigen mit meiner Mia im Kindersitz, und ich fahre an, ich fahre vorwärts, und dann reiße ich die Augen auf und versuche, an etwas anderes zu denken, aber dann geht der Film wieder von vorne los, immer wieder, die halbe Nacht. Ohne Schlaftabletten komme ich nicht mehr zur Ruhe. Und wenn ich welche nehme, geht es mir morgens nicht gut. Eine Freundin ist für ein paar Tage zu mir gekommen. Alle sind sehr nett zu mir, aber ich … ich … ich traue mich fast nicht mehr aus dem Haus. Jedes Auto, das hinter mir herfährt, bringt mich fast in Panik. Und bei der Arbeit kann ich mich kaum noch konzentrieren. Ich darf doch keine Fehler machen, sonst schmeißen sie mich raus.«
    Sie schluchzte und wischte sich die Tränen ab.
    »Entschuldigung, ich bin nicht gekommen, um Ihnen etwas vorzuheulen«, sagte sie dann leise.
    »Ist schon gut, weinen Sie, weinen Sie. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«
    »Nein danke, ich bin so nervös, ich glaube nicht, dass …«
    Ihre Stimme brach.
    »Frau Lorenz, wir glauben zunächst einmal nicht, dass der Anschlag Ihnen gegolten hat. Nach allem, was wir über Ihren Beruf und Ihr Leben wissen, nehmen wir an, dass die Täter sich im Auto geirrt haben. Das ist übrigens schon einmal vorgekommen. Damals hat der Anschlag einem von unseren Kollegen gegolten, das nur nebenbei, aber die Granate war am Auto seines Nachbarn befestigt worden. Die ging damals auch nicht los. Sicher war das alles bei Ihnen auch nur ein Irrtum, wenn auch ein sehr gefährlicher. Wir werden uns also in Ihrem Viertel umsehen. Ich denke schon, dass wir der Sache auf den Grund kommen. Wie lange wohnen Sie denn dort?«
    »Seit zwei Jahren.«
    »Und seit wann fahren Sie Ihr Auto?«
    »Noch nicht so lange. Ein starkes Jahr. Ich habe es hier in Böblingen gekauft.«
    »Haben Sie es direkt vom Vorbesitzer?«
    Sie verneinte die Frage und nannte einen Gebrauchtwagenhändler, der den Kauf vermittelt hatte.
    »Mal sehen. Vielleicht ergibt sich auf diesem Weg eine Spur.«
    Kupfer lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um einen möglichst entspannten Eindruck zu machen, und sagte: »Wir verfahren jetzt ganz einfach. Wir haben ja schon einiges über Ihre Lebensumstände in Kenntnis gebracht. Das gehe ich jetzt mit Ihnen durch, und wenn dann noch etwas übrig bleibt, was Sie für wichtig halten, dann sagen Sie mir das. Einverstanden?«
    Die junge Frau hatte ihre Fassung zurückgewonnen und nickte zustimmend.
    »Sie arbeiten seit gut zehn Jahren als medizinisch-technische Assistentin im Böblinger Krankenhaus, Sie sind alleinerziehende Mutter, Ihr Kind haben Sie tagsüber bei einer Tagesmutter untergebracht. Sie sind auf der Suche nach einer etwas größeren, aber erschwinglichen Wohnung, wo Sie eventuell mit jemand zusammen einziehen könnten. Sie beziehen vom Vater Ihres Kindes regelmäßig Unterhalt, so dass ihre finanziellen Verhältnisse zu Ihrer Zufriedenheit geregelt sind. Sie waren früher sportlich aktiv, beim Volleyball und im Skiclub, haben aber ihre sportlichen Aktivitäten in den letzten beiden Jahren wegen ihrer Tochter aufgegeben. Auch Ihr Freundeskreis ist dadurch kleiner geworden, aber ohne irgendwelche hässlichen Auseinandersetzungen. Sie haben auch sonst mit niemandem Streit gehabt und können sich auch jetzt nicht denken, warum irgendjemand einen Anschlag auf Sie machen sollte. Stimmt das so?«
    Sie nickte.
    »Und jetzt noch zu den Details. Sie stellten Ihr Auto abends um sechs dort ab, wo es immer

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