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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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Röllchen, die sie eingefädelt hatte, wieder von der Schiene rutschten. Schnell griff sie danach, wobei ihr Stuhl ins Kippeln kam.
    »Vorsicht, Frau Hensler«, sagte Kupfer ruhig und hielt den Stuhl fest. »Die schlimmsten Unfälle passieren im Haushalt bei so gefährlichen Übungen wie dieser hier. Grüß Gott!«
    »Einen Moment bitte, Sie sehen ja, dass Sie zu keinem günstigen Zeitpunkt kommen«, sagte sie mit gepresster Stimme.
    »Lassen Sie sich nur Zeit und hängen Sie die Gardine vollends auf. Es wäre doch schade, wenn alles wieder herausrutschen würde. Lassen Sie sich ja nicht von mir hetzen.«
    Mit diesen Worten ergriff er den Teil der Gardine, der noch nicht eingefädelt war, und hielt ihn etwas hoch, damit die junge Frau ihre Arbeit mit weniger Mühe zu Ende bringen könnte.
    »Das freut mich doch jetzt richtig, dass ich Ihnen bei der Verschönerung Ihres Heims behilflich sein kann«, flötete er.
    Sie schaute misstrauisch über die Schulter auf ihn hinunter. Mit seiner Unterstützung wäre sie wesentlich schneller vorangekommen, wenn ihr seine Anwesenheit nicht so unangenehm gewesen wäre. Kupfer sah, wie ihre Hände zitterten und die Röllchen nicht mehr so einfach ihren Weg in die Schiene fanden. Verkrampft hielt sie den Atem an.
    »Sie müssen bei so einem kniffligen Geschäft ganz ruhig durchatmen. Das macht eine ruhige Hand«, spielte er den freundlichen Coach und konnte sehen, wie sie sich auf die Unterlippe biss. Schließlich hatte sie ihre Arbeit erledigt und stieg vom Stuhl.
    »Was wollen Sie von mir?« Ein aggressiver Unterton war nicht zu überhören.
    »Das lässt sich nicht in einem Satz sagen.«
    Einer der beiden jungen Männer schaute herein.
    »Ist was, Laura?«
    »Nein, schon gut. Macht weiter. Stellt die Sachen einstweilen auf den Flur.«
    Dann wandte sie sich wieder Kupfer zu.
    »Also, was wollen Sie?«
    »Da muss ich ein bisschen ausholen. Es gibt da ein paar Unstimmigkeiten in Ihren Aussagen, über die wir miteinander reden sollten.«
    »So? Zum Beispiel?«
    »Können wir uns nicht hinsetzen?«, wich Kupfer aus, worauf sie wortlos ins Wohnzimmer voranging.
    Das Wohnzimmer war inzwischen perfekt eingerichtet. Zwei großformatige abstrakte Gemälde über der ausladenden Sitzgruppe gaben dem Raum eine unverwechselbare Note.
    »Echt?«, fragte Kupfer.
    »Echt, aber nicht gekauft, falls Sie das meinen. Sie gehören einem Bekannten, einem Maler, der mehr Bilder hat, als er lagern kann. Wie die meisten.«
    »Macht sich gut, so etwas könnte ich mir auch einmal ausleihen, wenn Sie mir den Namen des Künstlers verraten würden«, sagte Kupfer.
    Sein Verzögerungsmanöver machte sie nervös. Ihr Körper saß ruhig da, aber der Daumen ihrer rechten Hand rieb ständig am Zeigefinger, als würde sie vom Bezahlen reden. Kupfer nahm es mit Genugtuung war. Er fragte nichts, sondern spielte den Kunstfreund.
    »Acryl oder Öl? Wohl eher Acryl. Die Oberfläche hat so etwas Trockenes an sich. Aber das hat ja auch was. Diese subtilen Nuancen dieser weißen Flächen« – er deutete auf eines der Bilder –, »die finde ich sehr gelungen. Wie verschiedene Strukturen eines Gipsbewurfes. Das kann auch nicht jeder. Abstrakt, heißt es ja, sei nicht mehr in. Aber die beiden Bilder haben trotzdem etwas Avantgardistisches an sich. Sehr gut! Da kann man Ihnen nur gratulieren.«
    »Sie gehören mir doch gar nicht«, sagte sie etwas verwirrt.
    »Aber der Raum drum herum. Kunst braucht ihren Raum, das wissen Sie doch, und Ihr Wohnzimmer, könnte man sagen, passt ideal um diese Bilder herum. Und das Zimmer ist doch Ihres, das kann ich doch sagen, auch wenn wir die Besitzverhältnisse noch nicht ganz miteinander geklärt haben.«
    Ihre Augenlider zuckten fast unmerklich. Der Daumen hörte auf, den Zeigefinger zu reiben. Sie sagte nichts, schob die Unterlippe vor und blickte auf die Bilder, als wären sie eben erst aufgehängt worden. Es entstand eine Pause.
    Kupfer wartete darauf, dass sie ihn wieder ansehen würde, aber sie schaute nur an ihm vorbei.
    »Wussten Sie übrigens«, setzte er deshalb in freundlichem Tonfall neu ein, »dass es auf Herrn Krumms funkelnagelneuer digitaler Spiegelreflexkamera ein paar hübsche Bilder von Ihnen gibt? Nein? Dabei sind es wirklich schöne Bilder von Ihnen. Sie sind sehr fotogen, mein Kompliment! Auf einem, zum Beispiel, drehen Sie in einem großen leeren Zimmer mit ausgebreiteten Armen eine Pirouette. Es war aber nicht diese Wohnung hier. Es war in einem Haus mit fertig

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