Schönbuchrauschen
ihrer Tasche und gab ihn Mia. Dann fuhr sie direkt ins Gewerbegebiet auf der Hulb und steuerte ihre Werkstatt an.
»Ich weiß, es ist schon Feierabend«, sagte sie zu dem jungen Kfz-Meister, den sie flüchtig kannte, »aber ich glaube halt nicht, dass ich so noch lange weiterfahren kann. Wenn ich nach rechts einschlage, stimmt etwas mit der Lenkung nicht. Ich habe das Gefühl, dass irgendwas das Rad in die Gegenrichtung drückt.«
Der Kfz-Meister zog die Brauen hoch. »Da müssen wir schon gleich nachschauen. Seit wann ist das so?«
»Seit heute. Heute Morgen beim Ausparken habe ich es bemerkt und vorhin wieder, als ich bei IKEA vom Parkdeck heruntergefahren bin.«
»Na gut, weil Sie es sind«, sagte er gelassen. »Wir schauen uns das Fahrzeug einfach mal von unten an.«
Der alte Passat wurde auf die Hebebühne gefahren und hochgehoben. Der Kfz-Meister hatte seine Lampe noch nicht einmal richtig in der Hand, da stutzte er schon. Andrea verfolgte die Veränderung seines Gesichtsausdrucks gespannt. Er wurde sehr ernst und schüttelte den Kopf.
»Das Ding fass ich nicht an. Wir rufen die Polizei.«
Andrea sah einen runden olivgrünen Metallkörper, der hinter dem Rad im Radlauf befestigt war.
»Was ist denn das?«
»Eine Handgranate.«
Ihr wurden die Knie weich.
17
»Verdammt, noch so ein Scheißfall, muss das denn sein?«, fluchte Kupfer und haute dabei mit der Faust auf den Schreibtisch. »Ich habe schon zwei Fälle. Einen dritten brauch ich nicht. Den soll der Feinäugle alleine machen.«
»Jetzt liegt zur Abwechslung der Herr Feinäugle im Bett. Er ist für den Rest der Woche krankgeschrieben«, sagte Paula Kussmaul ruhig.
»Und am Montag kommt er wieder?«
»Weiß ich nicht. Hoffen wir es einmal.«
Kupfer schnaubte wie ein Kampfstier.
»Warum muss der jetzt gerade krank werden? Außerdem ist das kein Mordfall.«
»Aber doch …« Paula verstummte.
»Was?«
»Nach allem, was ich von Ihnen gelernt habe, handelt es sich aber doch um einen Tötungsversuch. Wenn’s geklappt hätte …«
»Was wissen Sie denn?«
»Ich wollte auf jeden Fall nicht in einem Auto sitzen, wenn eine Handgranate im Radlauf explodiert. Sie vielleicht?«
»Sie wissen wohl schon wieder mehr als ich?«, bemerkte Kupfer unfreundlich. Er wandte sich schroff ab und öffnete die Akte.
»Den Namen kenne ich doch! Wenn das ein Zufall ist, dann …«, sagte er vor sich hin. Paula Kussmaul spitzte die Ohren. Aber Kupfer sagte nichts mehr und las weiter.
Es war schon seltsam. Eine dreiunddreißigjährige medizinisch-technische Assistentin setzt sich morgens zwischen sieben und acht in ihr Auto, merkt beim Ausparken, dass das rechte Vorderrad an etwas streift, fährt ihr Kind zur Tagesmutter, geht arbeiten, holt ihr Kind wieder ab und wird erst beim Verlassen eines Parkhauses wieder an diesen eigenartigen Widerstand beim Lenken erinnert. In der Werkstatt wird eine Handgranate entdeckt.
»Nicht nur ein normales Rumpelei, sondern eine besonders gefährliche Splittergranate. Jugoslawische Herkunft, würde ich sagen«, hatte der herbeigerufene Waffenspezialist gesagt. »Ein Glück, dass das Ding nicht explodiert ist.«
Und das geschah ausgerechnet der Frau, die von dem verunglückten Lipp ein Kind hatte und dafür Alimentenzahlungen empfing. Und dabei hatte sie gesagt, dass sie sich absolut nicht erklären konnte, warum irgendjemand diese Bombe an ihrem Auto befestigt hatte. Sie ging ihrem Beruf nach und zog ihr Kind auf, worauf sich ihr Leben in den letzten beiden Jahren reduziert hatte. Sie hatte niemandem etwas getan, sie hatte mit niemandem Streit und war keinem etwas schuldig.
»Die arme Frau. Die muss ja verrückt werden«, sagte Kupfer halblaut vor sich hin. Dann schaute er auf die Uhr.
»Jetzt mach ich erst einmal Mittag. Gehen Sie auch etwas essen?«
»Nein. Heute nicht. Ich habe mir etwas mitgebracht. Bis dann!«
Als Kupfer nach dem Mittagessen zurückkam, saß Paula Kupfer an seinem Schreibtisch und las in der Akte des neuen Falls.
»Muss ich jetzt meine Akten über Mittag einschließen?«, fragte Kupfer mit einem deutlichen Tadel in der Stimme.
»Entschuldigung, soll nicht wieder vorkommen.« Es klang, als sei Paula Kussmaul schuldbewusst. Dann aber fügte sie hinzu: »Ich habe bloß ganz kurz hineingeschaut, mir war halt langweilig. Ich hab heute Morgen den Gäuboten daheim liegen lassen.«
Kupfer räusperte sich sehr laut und stand abwartend da, bis sie seinen Platz frei gemacht hatte.
»Schlimm. Gell, oder?«,
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