Schönbuchrauschen
einfacher gehen.«
21
»Ich will jetzt wissen, was unsere beiden Freundinnen miteinander zu tun haben«, sagte Feinäugle und setzte sich resolut an Kupfers PC. »Darf ich?«
»Klar. Worum geht’s?«
»Bei Facebook recherchieren. Wetten, dass wir da was finden? Wie alt sind die beiden?«
»Mitte dreißig.«
»Na, dann könnten wir gerade noch Glück haben.«
Kupfer und Paula Kussmaul schauten Feinäugle neugierigan.
»Facebook wurde anfangs vor allem von den Fünfzehnbis Dreißigjährigen benutzt, sozusagen als das ›Who’s Who‹ der Bedeutungslosen. Sie wollten irgendwo dabei sein und beachtet werden. Als der Facebook-Hype losging, waren die beiden Damen also noch in ihren Zwanzigern. Da haben sie sich sicher noch gepostet.«
»Aha. Und du? Bist du etwa auch bei Facebook?«, fragte Kupfer.
»Klar, aber nur, um auszuprobieren, was wir damit anfangen können. Ich habe natürlich nur das absolute Minimum über mich gepostet, und schon gar kein deutliches Foto.«
Feinäugle loggte sich bei Facebook ein.
»Ab und zu recherchiere ich damit, manchmal bringt es was, aber nur manchmal. Die meisten, die da drin sind, sondern nur Banalitäten ab. Sie brauchen ihren Auftritt halt für ihr Ego. Es schmeichelt doch wahnsinnig, wenn man bei seinem Namen eine lange Liste von Friends stehen hat. Dass das aber nicht mehr bedeutet, als dass man vielen Leuten halt über den Weg gelaufen ist, macht sich in dieser Pseudogemeinschaft niemand klar.«
»Aber hört man nicht immer wieder, dass so eine Liste ein Ansatz zu einem Netzwerk sein kann?«, warf Kupfer ein.
»Vielleicht anderswo. Aber diese Friends-Listen bei uns hier haben garantiert nichts mit richtigen Netzwerken zu tun. Um ein effektives Netzwerk aufzubauen, muss man schließlich mehr wollen, als nur sich selbst darzustellen. Und wer will hier schon mehr? Das deutsche Facebook nennt sich zwar soziales Netzwerk, ist aber zu einer starken Hälfte nichts als eine Exhibitionistenplattform. Eine politische Generation Facebook wie in den arabischen Staaten gibt es bei uns nicht.«
»Aber es wurden auch schon Demonstrationen über Facebook organisiert. Oder irre ich mich da? Und was ist mit den Flashmobs?«
»Demonstrationen? Wo denn? Mindestens keine wichtigen. Am typischsten für die deutsche Facebook-Gemeinde scheinen mir die Flashmobs zu sein. Es ist zwar witzig, wenn sich zum Beispiel auf dem Tübinger Marktplatz schlagartig mehr als hundert Pärchen um den Hals fallen und herumknutschen. Das macht Spaß, da guckt man gerne zu. Aber es ist belanglos. Facebook bewegt in unserm Land eigentlich nichts, obwohl es Millionen Nutzer hat. Meistens werden nur Belanglosigkeiten mitgeteilt oder die Leute verabreden sich fürs Wochenende. Wie oberflächlich das ist, kannst du an den Friends-Listen sehen. In manchen Cliquen läuft offensichtlich ein Wettbewerb, wer die längste Friends-Liste vorweisen kann. Ich habe von einer gehört, die sich mit 928 Freunden brüstet.«
»Wenn sie die alle im Kopf hat …«, kommentierte Kupfer.
»… dann wird es eng im Oberstübchen«, führte Feinäugle lachend den Satz zu Ende. »Und apropos brüstet«, fuhr er fort, »mein Neffe Olaf, der ist gerade vierundzwanzig, der redet immer vom Cyber-Fleischmarkt und hat mir neulich Bilder von Mädchen gezeigt, die mit ihm zusammen Abitur gemacht haben. Da haut es dich glatt um. Mädchen, die zum Teil ein Einserabitur gemacht haben, präsentieren sich in knappen Bikinis oder mit einer neuen Frisur und lächeln wie die Nutten auf den einschlägigen Fernsehkanälen. Dass sie noch etwas anhaben, ist fast nicht mehr selbstverständlich.«
»Du erwartest aber nicht, dass du von der Lorenz und der Hensler solche Nuttenfotos findest?«
»Nein, das nicht, mich interessieren ihre Relations. Wenn wir Glück haben, dann haben sie sich dort in ihren späten Zwanzigern selbst präsentiert, oder wir finden sie auf Fotos von anderen, die dort ihren Lifestyle zur Schau stellen.«
»Gut, dann mach mal.«
Feinäugle gab »Laura Hensler« in die Suchfunktion ein, und schon erschien ihr Name neben einem netten Foto.
»Das Foto muss ein paar Jahre alt sein«, bemerkte Kupfer.
»Offensichtlich. Die schöne Laura hält ihre Selbstdarstellung nicht gerade auf dem neuesten Stand. Da fehlen einige Updates, könnte man sagen. Aber das ist verständlich. Sie wusste ja inzwischen, wo sie hingehörte – wenigstens bis zu Krumms Tod.«
Laura Hensler wurde am 30. Mai 1977 geboren, machte 1996 am
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