Schönbuchrauschen
jahrelang bekniet, ihm eine Wohnung zu finanzieren. Er war sogar bereit, ihr jeden Monat einen gewissen Betrag als Miete zu überweisen. Das hätte sich für uns immer noch gerechnet. Aber sie blieb ängstlich auf ihrem Geldsack hocken, bis er ihr endlich die Sache mit der Umgehung der Erbschaftssteuer klarmachen konnte.«
Kupfer fiel auf, dass sie auf einmal wie gedruckt redete, ohne auch nur einen kleinen Moment nach einem Wort zu angeln. Diese Story hatte sie sich offensichtlich gut zurechtgelegt.
»Frau Hensler, wissen Sie, dass ich im Pflegeheim war und versucht habe, mit Frau Krumm zu reden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sie noch von einem solchen Schachzug überzeugen konnte. Mir hat sie nur gesagt, dass sie mit Theo zusammen davonlaufen will, und zwar in die Schweiz, weil dort das Geld auf der Straße liegt.«
»Natürlich ist sie verwirrt«, stimmte ihm die junge Frau zu. »Ich selbst kann auch nicht mehr vernünftig mit ihr reden, obwohl sie mich früher kannte und gernhatte. Aber Theo konnte es. Das war phänomenal. Er war ihre einzige Freude. Vielleicht wurde sie deshalb immer klar im Kopf, wenn er mit ihr sprach.«
Kupfer schien ihre Antwort zu ignorieren und fragte weiter: »Sie kennen doch sicher Theos Elternhaus, dieses winzige Einfamilienhäuschen in Döffingen?«
Sie nickte.
»Und Sie wissen auch, dass Theos Mutter wieder arbeitet?«
Sie zog die Stirn kraus und schaute Kupfer fragend an. Sie wusste nicht, worauf er hinauswollte.
»Sehen Sie, das sind doch recht kleinbürgerliche Verhältnisse, wo man kein großes Vermögen im Hintergrund vermuten würde. Da die Großtante Gerlinde ja keine Kinder hatte, hätte sie doch Theos Vater bei der Finanzierung eines größeren Hauses helfen können.«
»Das hat sie doch auch. Das Haus steht auf ihrem Grundstück. Sonst hätte es Theos Vater gar nicht bauen können.«
»So, so«, sagte Kupfer und nahm sich stillschweigend vor, diese Aussage zu überprüfen. »Aber jetzt würde mich doch noch interessieren, woher der Wohlstand dieser Großtante kommt. Wissen Sie das?«
»Natürlich, Theo hat es oft erzählt. Gerlinde Krumm hatte einen zwölf Jahre älteren Bruder, Albert Belser hieß er; sie selbst war ein Nachkömmling. Und dieser Bruder ist 1931 nach Brasilien ausgewandert, weil er in Deutschland keine Chancen für sich sah. Er muss ein geschickter Händler gewesen sein, der eine Nase für lohnende Geschäfte hatte. Die einzelnen Umstände kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass er in den Edelsteinhandel eingestiegen ist und bis 1939 Rohedelsteine nach Deutschland geliefert hat und nach 1945 wieder. Er hatte keine Familie, und als er in den Sechzigerjahren bei einem Autounfall ums Leben kam, hat seine Schwester alles geerbt. Während des Krieges hatte er sein ganzes Vermögen in die Schweiz geschafft, und da liegt sicher noch viel Geld, das Theo geerbt hätte.«
»Ist das wahr? Das ist ja eine tragische Geschichte. Unglaublich, wie viel Unglück manchmal in einer einzigen Familie passiert.«
Kupfer nahm wahr, wie sich ihre Augen für den Bruchteil einer Sekunde weiteten. Dann hatte sie sich wieder im Griff.
»Erst kommt derjenige um, der diesen Reichtum zusammengetragen hat«, fuhr er fort, »und dann wird der ermordet, der den ganzen Segen hätte erben können. Man würde es nicht glauben, wenn es nicht wahr wäre.«
»Tja, so war es eben. Sonst kann Ihnen nichts Weiteres sagen«, versuchte sie das Kapitel abzuschließen, indem sie bedauernd die Schultern hochzog und ihre Handflächen zeigte.
Aber Kupfer hakte weiter nach.
»Da bleibt aber doch noch etwas Merkwürdiges übrig. Die alte Dame sagte mir, dass Theo alles Schriftliche für sie erledigte und sie schon lange nichts mehr unterschreibt. Und trotzdem gibt es auf ihrem Konto nach Theos Tod noch einen Eingang von 200 000 Euro, aber nicht nur das, sondern von dem Betrag wurden Ihre schönen Möbel hier bezahlt. Haben Sie dafür eine Erklärung?«
Nun wurde Laura Hensler doch etwas rot und zögerte mit ihrer Antwort.
»Über die Toten soll man nichts als Gutes sagen, haben Sie vorher gesagt«, sagte sie schließlich. »Und es fällt mir schwer … gut, ich muss zugeben, dass das nicht ganz einwandfrei war. Es war nämlich so: Theo hatte ein paar von seiner Großtante unterschriebene Blankoüberweisungen. Und … ach, Sie wissen es sowieso schon, mit einer davon habe ich meine neuen Möbel bezahlt. Aber das war ganz in seinem Sinn, das hatten wir gemeinsam vorgehabt. Und seine
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