Schönbuchrauschen
Recht darauf haben, hat er völlig verdrängt. Als der junge Krumm sich 18 000 Euro holte, um sein Auto zu bezahlen, und die Hensler von dem Konto 24 000 Euro für Möbel überwies, waren das kleine Kontobewegungen für ihn – im Zehntausenderbereich. Und wenn aus dem Schweizer Nebel heraus plötzlich Hunderttausende auf das Konto einer debilen alten Frau schneien, dann begrüßt er das als ganz normalen Geschäftsvorgang. Alles, was den Umsatz der Bank vergrößert, ist willkommen. Woher es kommt, ist ihm wurscht.«
»Und woher kommt es? Weißt du’s?«
»Nicht genau, aber ich ahne es und weiß eine schöne Story. Die schöne Laura hat die Standardgeschichte von der reichen Erbtante mit nur einem Neffen in die Vergangenheit verlängert. Gerlinde Krumm, die ihren ganzen Reichtum ihrem hilfsbereiten Großneffen Theo zur Verfügung stellte, war nämlich ihrerseits die einzige Erbin ihres einsamen Bruders, der in Brasilien mit Edelsteinen ein Vermögen machte. Und dann diese Tragik! Dieser erfolgreiche Wertschöpfer, Großonkel Albert, konnte seinen Reichtum nicht mehr voll genießen, weil er bei einem Autounfall ums Leben kam, die Erbin kann ihn nicht mehr genießen, weil sie den Geldsegen nicht mehr begreift, und der Großneffe hat auch nicht mehr viel davon, weil er aus völlig unerklärlichen Gründen ermordet wird, direkt nachdem ihn der warme Regen etwas angefeuchtet hat.«
Feinäugle schüttelte lächelnd den Kopf. »Lebt Rosemarie Pilcher eigentlich noch?«
»Soviel ich weiß, ja«, sagte Paula Kussmaul.
»Dann schicken wir ihr diese Story als Exposé für einen Roman. Die schöne Laura darf sich den Titel ausdenken.«
»Und zwar mit ihrer Mitbewohnerin zusammen«, sagte Kupfer.
»Was für eine Mitbewohnerin?«
»Andrea Lorenz.«
»Jetzt schlägt’s aber dreizehn.«
»Und deswegen bin ich ganz scharf auf eine Hausdurchsuchung bei den beiden Damen. Klöppner erwartet ohnehin meinen Anruf. Mal sehen, vielleicht erwische ich ihn gleich.«
Kupfer hatte die Nummer kaum gewählt, da hielt er sich den Hörer zehn Zentimeter vom Ohr weg. Feinäugle und Paula Kussmaul konnten mithören, ohne dass Kupfer den Lautsprecher anstellte.
»Sehr gut, dass Sie mich sofort anrufen. Es geht natürlich um die Angelegenheit mit dem Lenkgetriebe. Mir ist sehr daran gelegen, dass dieser hässliche Fall von Pfuscherei bald geklärt wird. Wie weit sind Sie denn damit?«
»Leider nicht weiter als bei unserem letzten Gespräch. Ich sagte Ihnen doch schon, dass es hierbei um technische Details geht, von denen wir Kriminalisten wenig verstehen. Das ist Sache der Gutachter. Und wenn die Gutachter den Mechaniker belasten, dann akzeptieren wir das, aber genauso gut das Gegenteil.«
»Untersuchen Sie doch das Umfeld, die Szene, wenn es etwas Derartiges gibt.«
»Herr Dr. Klöppner, das haben wir doch schon, und Sie wissen doch, dass wir personell nicht so ausgestattet sind, dass wir auf diesen Fall noch sehr viel Zeit verschwenden können. Wir haben ein ganz anderes Problem. Es besteht die Möglichkeit, dass der Schönbuchmord mit dem Handgranatenanschlag auf die junge Mutter zusammenhängt. Um diesen Zusammenhang offenlegen zu können, wäre eine Hausdurchsuchung der nächstliegende Schritt. Frau Lorenz, der der Anschlag galt, ist nämlich bei Frau Hensler eingezogen. Und ihre Wohnung wurde von dem Mann bezahlt, der im Schönbuch ermordet worden ist. Und dabei ist ganz klar, dass das Mordopfer sich das Geld widerrechtlich angeeignet …«
»Haben Sie weitere Anhaltspunkte?«
»Nein. Wir suchen eine Festplatte, die wir in dieser Wohnung zu finden hoffen.«
»Lieber Herr Kupfer, bitte schicken Sie mir einen schriftlichen Antrag, den ich dann gerne prüfe und eventuell ans Gericht weiterleite. Das scheint ja eine vage Annahme zu sein, und Sie wissen, wenn keine Gefahr im Verzug ist …«
»Doch. Ich sehe schon Gefahr im Verzug. Die beiden Frauen wissen doch, dass wir von der Wohngemeinschaft Hensler-Lorenz wissen. Wenn man irgendwo Material finden kann, das den plötzlichen Wohlstand des Ermordeten erklären kann, dann dort.«
»Aber deswegen kann ich nicht so einfach eine Hausdurchsuchung anordnen. Ich bitte um einen förmlichen Antrag ans Gericht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe in fünf Minuten einen wichtigen Termin. Guten Tag!«
Ehe Kupfer diesen Gruß erwidern konnte, hatte der Staatsanwalt aufgelegt.
»Mist! Habt ihr das gehört? Ich habe keine Lust, diese ganze Geschichte aufzuschreiben. Das muss
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