Schönbuchrauschen
unbemannte?«
»Das möchte ich auch gerne wissen. Entweder gehört sie zu Halbritter oder zu dem, der das Bild gemacht hat.«
Rechts im Vordergrund saß eine schmalschultrige junge Frau mit kurzgeschnittenem dunklem Haar, die ironisch lächelnd in die Kamera schaute. In der einen Hand hatte auch sie ein Sektglas. Mit der anderen präsentierte sie die Sektflasche. Sie hielt sie mit der Öffnung nach unten. »Leider schon leer«, schien ihr Lächeln zu sagen.
»Die sieht pfiffig aus«, meinte Kupfer.
»Vor allem aber schaut sie direkt in die Kamera. Ideal! Über das Gesicht könnte man die Gesichtserkennungs-Software laufen lassen. Sollen wir die nicht einmal einsetzen?«
»Wir? Ich habe mich noch nie damit beschäftigt«, gab Kupfer zu.
»Ich mich auch nicht. Aber ich habe einen guten Draht zu dem betreffenden Kollegen beim LKA, der sich da eingearbeitet hat.«
»Gut. Dann schick ihm das Foto, wenn du den Antrag zwingend begründen kannst.«
»Ganz einfach: Wir sagen, dass es sich hier um eine Schlüsselfigur in einem Mordfall handeln könnte.«
»Und könnte es das?«
Feinäugle zuckte mit den Achseln.
»Ehe wir jetzt beim LKA einen Antrag auf Gesichtserkennung stellen, drucken wir das Bild aus und zeigen es Erika Krumm. Mal sehen, ob sie das Mädchen kennt.«
Dann schauten sie sich noch an, was von Theo Krumm bei Facebook zu finden war. Es war nicht viel: Jahrgang 1976, Abi 1995 am Goldberg-Gymnasium Sindelfingen, Rettungssanitäter in Stuttgart. Wohnort Böblingen.
»Über seine Tübinger Zeit sagte er schon gar nichts mehr. Die hat er weggedrückt«, konstatierte Kupfer. »Und keine Fotos. Da hätte er eigentlich seinen Account kündigen können.«
»Hätte er, hat er aber nicht. So läuft das meistens, wenn jemand stirbt. Der digitale Fußabdruck bleibt erhalten. Es kann gut sein, dass er sich irgendwann löschen wollte. Aber das ist halt nicht so einfach. Facebook ist eine Falle: Du bist schnell drin, kommst aber nicht so schnell wieder raus. Und so gibt manch einer seine Bemühungen auf. Jetzt, wo Krumm tot ist, kümmert sich niemand mehr darum. Da bleibt er drin, solange Facebook besteht. Amen«, erklärte Feinäugle.
22
»Ich komm heute Abend später heim«, sagte Kupfer zu Marie, als er vom Frühstück aufstand.
»Schon wieder? Du Armer. Kannst du nicht einen jungen Kollegen dort hinschicken?«
»Nein, es handelt sich um die Mutter des Ermordeten. Das Gespräch muss ich schon selbst führen.«
»Warum bestellst du sie nicht ins Büro?«
»Weil mir die arme Frau leid tut. Ich glaube, ich erspare ihr viel Aufregung, wenn ich zu ihr hingehe. Ich probiere einfach, sie heute nach Feierabend zu erwischen. Daheim ist sie bestimmt entspannter, da kommt mehr dabei heraus.«
Der Tag verging mit Nachforschungen über den illegalen Waffenhandel, denn die Herkunft der Handgranate, die man an Andrea Lorenz’ Auto gefunden hatte, war keineswegs geklärt, was Kupfer beunruhigte. Seit er wusste, dass Andrea und Laura in einer Eigentumswohnung lebten, deren Finanzierung Theo Krumm mit welchen Mitteln auch immer auf die Beine gestellt hatte, glaubte er nicht mehr daran, dass der Anschlag jemand anderem als Andrea gegolten hatte. Aber eine Erkenntnis hatte sich aus dieser Ansicht noch nicht ergeben. Noch gab es keinerlei Anhaltspunkte.
Den ganzen Tag durchforschte Kupfer Protokolle von Verhören, in denen illegaler Waffenhandel eine Rolle gespielt hatte. Da war von Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehren die Rede gewesen, aber Handgranaten waren in letzter Zeit weder in der Böblinger noch in der Stuttgart Szene aufgetaucht. Die stundenlange Lektüre war umsonst.
Interessant war nur der Bericht, der vom KTU kam. Seinem Antrag, das Kriminaltechnische Untersuchungsamt möge die Wirkung einer solchen Handgranate auf eine baugleiche Autokarosserie experimentell untersuchen, war man nachgekommen. Auf einem abgelegenen Versuchsgelände hatte man im Radlauf eines Passats eine solche Splittergranate detonieren lassen. Die Auswirkungen hätten nicht verheerender sein können. Den Kotflügel riss es auseinander, Blechstücke wirbelten durch die Luft. Teile aus dem Fußraum des Fahrzeugs wurden durch den Fahrgastraum geschleudert und zerfetzten den Fahrersitz. Der Inhalt des Eisenkörpers, 3500 kleine Stahlkugeln, wurde mit 7000 Meter pro Sekunde durch die Gegend geschossen, zehnmal schneller als eine Pistolenkugel, wie der Sprengstoffexperte erläuterte. Diese winzigen Kugeln machten mit den Splittern des
Weitere Kostenlose Bücher