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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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wieder. Ob es so etwas gibt? dachte Plotek – keine Ahnung.
    Der ältere Portier mit Hängelid stand am Eingang zum Hotel, öffnete die Tür und sah aus, als ob er beim Anblick der vier ebenfalls sofort an Polizei oder Notarzt oder beides denken musste. Skolny beruhigte ihn auf Tschechisch, drückte ihm 100 Kronen in die Hand, woraufhin der Portier »Eine gute Nacht!« wünschte.
    Plotek, Stremmel und Schnabel fuhren mit dem Aufzug in den ersten Stock. Skolny weiter in den dritten. Lange stand Plotek noch vor seiner Tür, an die Wand gelehnt, während die anderen längst auf ihrem Zimmer waren. Er suchte nach seiner Plastikkarte, die ihm die Tür öffnen würde, bis er sie schließlich in einer seiner vielen Taschen doch noch fand. Jetzt aber schnell ins Bett und dann noch schneller schlafen – hätte man denken können. Aber falsch gedacht. Nur halb ausgezogen ließ sich Plotek aufs Bett fallen und konnte trotz Becherovka nicht einschlafen. Oder vielleicht gerade deswegen. Der Kronleuchter fing an der Decke an zu tanzen. Die Stuckverzierungen kreisten. Die Falten der Vorhänge wurden so tief, dass Ploteks Blick sich darin zeitweilig verlor. Und durch den Schlitz blitzten Lichtstrahlen. Schließlich bekamen die Ornamente der Stofftapeten auch noch Gesichter. Eigentlich nur ein Gesicht. Immer dasselbe: Agnes! Musste Plotek zwangsläufig wieder ein wenig an Agnes denken und darüber, ob es jetzt nicht an der Zeit wäre, sie anzurufen, um sich mit ihr doch noch zu versöhnen. Seine Gedanken kreisten im Rhythmus des Kronleuchters ständig um anrufen und versöhnen – so lange, bis plötzlich das Telefon von selber klingelte. Ob jetzt das Telefon klingelte, weil er daran dachte, oder er daran dachte, damit das Telefon klingelte, wusste er nicht. Auf jeden Fall nahm er ab. Aber nicht Agnes war am Apparat.
    »Können Sie auch nicht schlafen?«
    Es war Silke Klein.
    »Geht so.«
    »Also nicht.« Sie lachte. Vielleicht sechster Sinn. Das kommt bei Behinderten öfters vor. Menschen ohne Arme können mit den Füßen besser malen als andere mit den Händen. Oder anderes Beispiel. Ein Legastheniker kann so gut kopfrechnen, dass jeder Taschenrechner Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Nicht alle natürlich, das sind eher Ausnahmen – aber immerhin.
    Bei Blinden kommen solche Fähigkeiten auch schon mal vor. Auch wenn man noch gar nichts gesagt hat, wissen die schon, was Sache ist. Das grenzt dann fast an Telepathie. Ob Silke Klein jetzt auch – keine Ahnung. Was die jetzt mitten in der Nacht von ihm wollte, war Plotek natürlich schleierhaft. Selbstverständlich hätte er sie fragen können. Musste er aber nicht. Silke Klein sagte es ihm auch so – quasi wieder Telepathie.
    »Gehen Sie morgen Abend mit mir aus?«
    Wenn eine Frau einem Mann um halb vier in der Nacht via Telefon diese Frage stellt, hat sie entweder nicht mehr alle Tassen im Schrank oder sie führt was im Schilde, hätte Plotek jetzt denken müssen. Dafür hatte er aber schon zu viel Becherovka im Blut. Also hat er nicht gedacht, sondern »Ja« sagen wollen. Sagte er dann aber doch nicht, dafür: »Meinetwegen.« Auch wegen zu viel Becherovka.
    Silke Klein lachte. Dann sagte sie: »Schlafen Sie jetzt schön« und »Träumen Sie süß«.
    Plotek hatte nichts mehr gesagt. Dafür aber noch ein paar Minuten in den Hörer gehorcht. Als nichts mehr kam, legte auch er schließlich auf. Schlafen konnte er danach aber noch immer nicht, trotz Bettschwere jetzt. Fast schon zu viel Bettschwere. Irgendwie vertrug er den nach Hustensaft schmeckenden Becherovka nicht so gut. Zumindest nicht in diesen Mengen. Der hatte zwar nur 38 Prozent, aber wenn man genügend davon trinkt, wird man auch betrunken. Und danach ist es einem schlecht – wie Plotek jetzt.
    Jetzt muss man wissen, dass das Einzige, was Plotek in seiner Kindheit mochte, Hustensaft war. Hustensaft, der ähnlich schmeckte wie diese Karlsbader Spezialität. Früher als Kind war Plotek alleine deswegen gerne krank, damit er löffelweise Hustensaft trinken durfte. Auch wenn er nicht krank war, trank er Hustensaft – bis sein Vater draufkam und ihm mit dem Ledergürtel den Hintern versohlte. Von da an bekam er nicht einmal mehr Hustensaft, wenn er krank war. Da kam Plotek quasi dieser Becherovka im Roten Berlin gerade recht – obwohl er mit der Kindheit nichts mehr zu tun haben wollte.
    Jetzt kam ihm der Becherovka gar nicht mehr recht – und dann die Kehle hoch. Ist er eben ins Marmor-Bad mit den vergoldeten

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