Schöne Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
auch in den wen i ger faktenorientierten Blättern dokumentiert war. Fabian selbst m achte das nichts aus. Er hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass die Boulevard-Journaille in dem Moment i h ren Stachel verlor, indem man sie einfach ignorierte. Und da er weder ein öffentliches Amt bekleidete, noch Bälle irgendwohin trat oder irgendwelchen Müll im Fernsehen als Unterhaltung präsentierte, interessierten sich die Leute letzten Endes gar nicht für ihn. Wie viele Kriminalpolizisten kennen Sie in Ihrer Stadt namentlich?
„Was läuft jetzt?“ fragte Lisa anschließend. „Hausdurchs u chung?“
„Die ist schon im Gange“, sagte Juhnke, „der Richter hatte ein Einsehen.“
Sie schwiegen alle für einen Moment. Juhnke setzte sich und blätterte in den Berichten, die Alfie und Sabine gestern abgegeben hatten, und denen von Kriminaltechnik und G e richtsmedizin.
„Todeszeitpunkt war gegen ein Uhr nachts. Die Schlinge hat ihn erwürgt, sein Genick war nicht gebrochen. Er war ve r mutlich wieder zu Bewusstsein gekommen und hat ein paar Sekunden mit dem Tod gerungen. Vorher wurde er im betäu b ten Zustand an dem Kabel hochgezogen. Das spricht für einen starken Mann, oder was meinen Sie?“
„Nicht wirklich“, fand Fabian, „Warburg war ein ziemliches Fliegengewicht. Dazu kommt die Hebelwirkung. Ein alter Mann könnte das auch schaffen.“
„Haben Sie da jemand Bestimmten im Auge?“
„Nein, ich...“ Fabian verzog das Gesicht, er hatte einen Horror vor Phrasen, „ich tappe im Dunkeln.“
Juhnke blätterte in einem anderen Bericht.
„Dieser... Mustafa... Herrgott, wie spricht man das denn aus? Na egal. Der ist schon verdächtig, oder? Schwulenhasser, Zugang zu Betäubungsmitteln...“
„Wir kennen das Motiv nicht wirklich“, sagte Lisa vorsic h tig, „außerdem vergessen Sie – vergessen wir das Wesentliche hier.“
„Und das wäre?“
Fabian und Lisa sahen sich an.
„Chef“, begann Fabian, „das Sperma bei den ersten beiden Tatorten war eindeutig das von Mike Warburg. Wir können durchaus weiterhin davon ausgehen, dass er Thomas Sieber und Ralph Schubert ermordet hat. Oder dass er einen Kompl i zen hatte.“
Juhnke verstand. „Und der Komplize hat ihn jetzt gekillt, um ihm alles in die Schuhe zu schieben?“
„Ja“, antwortete Lisa. „Wobei er sich darauf verlassen hat, dass wir das Xenon nicht bemerken. Aber vielleicht war ihm das auch egal. In erster Linie musste Warburg zum Schweigen gebracht werden. Er war labil. Ein Risiko. Also weg mit ihm.“
Sie sagte es so kalt wie möglich, aber in ihrem Herzen rasten Güterzüge ineinander. Ohne die Spur eines Beweises war sie sicher, dass Mike von jemandem ausgenutzt worden war. Sie hatte ihn genug gekannt, um zu wissen, dass er w e der verrückt noch ein Mörder war. Die ganze Affäre schien zumindest vom Aufbau her so klar zu sein, und jetzt konnten sie im Grunde wieder von vorne anfangen.
„Das Beschissene an all dem ist“, meinte Fabian, „dass wir nicht einmal davon ausgehen können, dass der Komplize auch nur im Umkreis des Fandango zu finden ist. Die Spur hat zwar zu dem Inhaber des Saatguts auf den Leichen geführt, aber wenn wir von einer zweiten Person ausgehen, so wissen wir absolut nichts über sie.“
Juhnke stöhnte und verfluchte sein Schicksal. Warum konnten sich die Leute nicht woanders umbringen lassen? Er kannte sein Metier. Morde in Berlin bedeuteten eskalierter Streit nach Saufgelage, Machtkämpfe im organisierten Verbr e chen und Messerstechereien in Jugendgangs. Da hatte er i m mer eine gute Aufklärungsquote gehabt. Dieses abgefahrene Zeug von abgewaschenen Leichen , exotischen Betäubungsmi t teln und einem Täter, der selbst zum Opfer wird – das war ihm viel zu abstrakt, viel zu unprofessionell. Solche Morde hatte es gefälligst nicht zu geben. Unverschämtheit, das.
„Ich habe jetzt sechs Kommissare dort , und eine Hunder t schaft an Beamten und Technikern “, sagte er müde, „der Rest spricht nochmal mit Angehörigen, checkt Fakten und Alibis, das ganze Programm. Irgendwelche kreativeren Ideen?“
Lisa hatte natürlich die halbe Nacht überlegt.
„Grundsätzlich reden wir hier von einem Psychopathen. Hat Frau Dr. Schwenk sich schon gemeldet?“
Dr. Barbara Schwenk lehrte Psychologie an der Humboldt-Universität und wurde gelegentlich hinzugezogen. Sie war g e beten worden, ein Profil des Täters zu erstellen, aber das war vor dem Tod von Mike Warburg gewesen.
Fabian machte sich auf in
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