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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Zwanzig Kinder standen im Kreis um einen Turm aus Chromstahl. Ein Ball, auf die Plattform oben geworfen, rollte im Innern herunter, fiel auf eine rotierende Scheibe und wurde durch eine der vielen Öffnungen in der Turmwand herausgeschleudert, worauf er aufgefangen werden mußte.
    »Seltsam«, meinte der Direktor im Weitergehen, »seltsam, wenn man bedenkt, daß man zur Zeit Fords des Herrn für die meisten Spiele nicht mehr als ein paar Bälle, ein, zwei Holzprügel und höchstens noch ein Netz verwendet hat. Eine unglaubliche Dummheit, die Leute schwierige Spiele spielen zu lassen, ohne dadurch den Verbrauch zu erhöhen. Wahnsinn! Heutzutage gestatten die Weltaufsichtsräte die Einführung eines neuen Spiels nur, wenn nachgewiesen wird, daß dazu mindestens ebenso viele Teile gebraucht werden wie für das komplizierteste der schon gebräuchlichen Spiele.« Er brach ab.
    »Entzückend, diese Gruppe«, sagte er und wies auf eine kleine grasbewachsene Senke, wo zwischen hohen Heidebüschen ein ungefähr siebenjähriger Junge und ein etwas älteres Mädchen sehr ernst und mit der gesammelten Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern bei einem Versuch sich einfachen sexuellen Spielen hingaben.
    »Entzückend, wirklich entzückend«, wiederholte der Direktor gefühlsselig.
    »Entzückend«, echoten die Studenten höflich, aber sie lächelten etwas gönnerhaft. Es war noch nicht allzu lange her, daß sie dergleichen kindliche Lustbarkeiten abgetan hatten, und daher gelang es ihnen nicht, sie ohne einen Anflug von Geringschätzung zu betrachten. Entzückend?
    Was war denn weiter daran? Ein Paar unbeholfener Kinder - eben Kinder, weiter nichts.
    »Ich muß immer daran denken - «, begann der Direktor im selben rührseligen Ton, da unterbrach ihn ein lautes Huhuhu!
    Aus dem nahen Gebüsch tauchte eine Pflegerin auf, die einen heulenden kleinen Jungen an der Hand führte. Ein kleines, ängstlich aussehendes Mädchen trottete bedrückt hinterdrein.
    »Was ist denn los?« fragte der BUND.
    Die Pflegerin zuckte die Achseln. »Nichts Besonderes.
    Der Kleine da scheint nur wenig Lust zu haben, sich an den üblichen Liebesspielen zu beteiligen. Ist mir schon ein paarmal aufgefallen. Heute wieder. Gerade hat er zu weinen angefangen...«
    »Ach, bitte«, sagte das kleine, ängstlich blickende Mädchen, »ich wollte ihm nicht weh tun, wirklich nicht, bitte.«
    »Natürlich nicht, Herzchen«, beruhigte die Pflegerin sie und wandte sich wieder an den Direktor: »Ich bringe ihn jetzt zur psychologischen Aufsicht. Mal nachsehen lassen, ob vielleicht irgend etwas Abnormes vorliegt.«
    »Gut so«, antwortete der Direktor. »Führen Sie ihn nur hin. Du bleibst da, Kleine!« fügte er hinzu, während sich die Pflegerin mit ihrem heulenden Schützling entfernte.
    »Wie heißt du denn?«
    »Pola Trotzki.«
    »Ein hübscher Name. Und nun lauf und such dir einen anderen Spielkameraden!« Die Kleine hüpfte davon und verschwand im Gebüsch.
    »Niedliches Ding!« bemerkte der Direktor, ihr nachblickend. »Was ich Ihnen jetzt berichten will, meine Herren, klingt vielleicht unglaublich. Allein, wer mit der Geschichte nicht vertraut ist, dem klingen die meisten historischen Tatsachen unglaublich.«
    Er enthüllte die unfaßbare Wahrheit. Während langer Zeiten, vor dem Erdenwallen Fords des Herrn und sogar noch ein paar Generationen später, wurden erotische Spiele bei Kindern für widernatürlich gehalten - (brüllendes Gelächter!) -, ja nicht nur das, sondern auch für unanständig - (hört, hört) - und daher rücksichtslos unterdrückt.
    Ungläubiges Staunen malte sich auf den Gesichtern seiner Zuhörer. Armen kleinen Kindern ihre harmlosen Spiele zu verbieten! Es ging ihnen einfach nicht ein.
    »Selbst Heranwachsenden wie Ihnen -«
    »Ist das möglich!«
    »Von ein bißchen heimlicher Selbstbefriedigung und Gleichgeschlechtlichkeit abgesehen, gab es gar nichts.«
    »Ga-ar nichts?«
    »Meist erst mit zwanzig Jahren.«
    »Mit zwanzig Jahren?« echoten die Studenten ungläubig im Chor.
    »Jawohl, mit zwanzig Jahren«, wiederholte der Direktor.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie werden es nicht glauben.«
    »Und was geschah?« wurde gefragt. »Was waren die Folgen?«
    »Die Folgen waren furchtbar«, ließ sich plötzlich eine tiefe, volltönende Stimme vernehmen.
    Sie blickten sich um. Am Rand der Gruppe stand ein Fremder, mittelgroß, mit dunklem Haar und Adlernase, vollen roten Lippen und dunklen, durchdringenden Augen. »Furchtbar«, wiederholte er.
    Der

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