Schoene, raetselhafte Becca
geschenkt hatten. „Sie hat meistens nur zum Spaß gemalt. Sie war auch eine begeisterte Kunstsammlerin. Bei einigen Auktionen hat sie Bilder von Maynard Dixon und Georgia O’Keeffe ersteigert.“
„Sie sind bestimmt froh, solche wertvollen Familienerbstücke zu haben.“
Wut und Schmerz flammten erneut in ihm auf. „Wir haben sie nicht mehr. Vor zehn Jahren wurden die Bilder gestohlen – in derselben Nacht, in der meine Eltern ermordet wurden.“
Schockiert starrte sie ihn an. „Das ist ja schrecklich, Trace. Ich dachte, Ihre Eltern seien bei einem Unfall ums Leben gekommen …“
„Sie waren Opfer eines Raubüberfalls.“
„Entsetzlich.“
Er sprach nicht gern darüber, denn er hasste das Mitleid und die Neugier in den Blick der Menschen, wenn er die Geschichte erzählte. Aber Beccas Mitgefühl schien echt zu sein, und er fand sogar einen gewissen Trost in ihrer Reaktion.
„Die Bilder sind mir egal. Ich hätte sie sogar eigenhändig von der Wand genommen und den Räubern gegeben, wenn ich meine Eltern damit hätte retten können. Es bricht mir das Herz, zu wissen, dass sie Destry niemals kennengelernt und nicht gesehen haben, was für eine schöne Frau Caidy geworden ist.“
Erstaunt, dass er so viel von sich preisgegeben hatte, schaute sie ihn an. „Sie haben gesagt, sie seien kurz vor Weihnachten gestorben.“
„Am 23. Dezember vor zehn Jahren.“
„Das muss eine schwere Zeit für Sie und Ihre Familie sein.“
Auch darüber sprach er nie. Trotzdem verspürte er auf einmal den Wunsch, Becca alles zu erzählen, auch wenn er nicht so recht wusste, wieso. „Ich hatte gerade meinen zweiten Einsatz im Mittleren Osten hinter mir und Urlaub von den Marines. Meine Militärzeit endete in drei Monaten, und ich überlegte mir, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Während des Heimaturlaubs war ich fast jeden Abend auf einer Party und habe die Nächte durchgemacht. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe meine Familie und meine Eltern geliebt, aber ich hatte das Gefühl, alles nachholen zu müssen. Und dann habe ich ein Mädchen kennengelernt …“
Seine Stimme wurde leiser, als der Zorn über seine eigene Dummheit wieder übermächtig wurde. Er hätte ahnen müssen, dass irgendetwas nicht stimmte. Leider hatte er nicht auf seine innere Stimme gehört.
„Ich kann mir vorstellen, was passiert ist“, meinte Becca leise.
Seine Kinnlade mahlte. „Sie gehörte zu ihnen. Sie sollte mich ablenken, während ihre Kumpel ins Haus einbrachen. Normalerweise wären meine Eltern an jenem Abend gar nicht zu Hause gewesen. Aber meine Schwester war plötzlich krank geworden, und deshalb sind sie alle dageblieben. Mein Vater hat die Einbrecher überrascht; er wurde zuerst erschossen. Meine Mutter versuchte zu fliehen, aber sie haben sie auch erwischt. Caidy hat sich irgendwo im Haus versteckt. Es muss ein entsetzlicher Schock für sie gewesen sein. Bis heute redet sie nicht darüber.“
Tränen des Mitgefühls traten ihr in die Augen, während sie die Schokolade in einen Becher goss. Dann setzte sie sich auf die andere Seite des Tisches. „Deshalb sind Sie Polizist geworden? Wegen des Mordes an Ihren Eltern?“
Er schaute in den Becher und betrachte den Wirbel auf der Oberfläche der braunen Flüssigkeit, den sie mit ihrem Rühren erzeugt hatte. „Ja. So ähnlich. Die uralte Suche nach der Wahrheit und all dieses andere idealistische Zeug.“
„Ich halte das ganz und gar nicht für idealistisches Zeug. Was ist daran idealistisch, seine Stadt und sein Leben zu verteidigen? Es ist ehrbar. Sie haben das Erbe Ihrer Eltern angetreten, um Pine Gulch zu einem sicheren Ort zu machen. Tief in Ihrem Herzen geht es Ihnen wahrscheinlich nur darum, anderen Menschen die leidvolle Erfahrung zu ersparen, die Sie selbst machen mussten.“
Er sah Becca lange an. Dann schüttelte er den Kopf. „Woher wissen Sie das?“
„Was?“
„Sie sind ja ein richtiger Detektiv.“ Er trank einen Schluck von dem leckeren Kakao. „Sie haben wirklich ein Talent, den Leuten Dinge zu entlocken, über die sie normalerweise gar nicht reden würden. Eigentlich wollte ich diese alten Sachen nie wieder aufwärmen.“
„Tut mir leid, wenn ich zu neugierig war“, entschuldigte sie sich. Auf einmal wirkte sie wieder sehr distanziert.
Hatte er sie etwa beleidigt? „Sie waren nicht neugierig, Becca“, versicherte er ihr rasch. „Schließlich habe ich ja zuerst von meinen Eltern gesprochen.“
Aus einem Impuls heraus streckte er
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