Schoene, raetselhafte Becca
„Lass-uns-sofort-ins-Schlafzimmer-gehen“-Variante lieber gewesen. Im Geiste stellte sie sich bereits vor, wie ihre nackten Körper sich ineinander verknoteten …
„Weißt du, im Moment … befinde ich mich in einer etwas schwierigen Situation“, setzte sie zu einer Erklärung an. „Ich versuche gerade, mein Leben neu zu sortieren. Das ist mit einer der Gründe, warum ich hierhergezogen bin. Für ‚Warten wir doch einfach mal ab, was noch passiert‘ ist hier alles noch zu ungewohnt.“
Ein enttäuschtes Flackern blitzte in seinen Augen auf. Aber er verbarg es schnell. Schließlich nickte er. „Okay. Warten wir einfach ab, bis du dich eingewöhnt hast. Dann hast du vielleicht wieder einen Blick für die Schönheiten der Gegend.“ Jetzt grinste er verschmitzt.
„Vielleicht“, entgegnete sie und hoffte, dass es beiläufig genug klang. Dabei stellte sie sich vor, wie schön es mit Trace sein könnte. Noch mehr von diesen unglaublichen Küssen. Jemand, an den sie sich anlehnen konnte. Mit dem sie an kalten Dezembertagen kuscheln konnte … Wären die Umstände anders – sie hätte nichts lieber als das getan. Aber wie konnte sie sich mit einem Polizisten einlassen, wenn sie und Gabi ihm praktisch eine Lüge vorlebten?
Die Haustür wurde geöffnet und fiel laut ins Schloss.
„Warum steht ein Polizeiauto vor der Tür?“, riss Gabis Stimme sie in die Gegenwart zurück. „Alles in Ordnung, Becca?“
Sie zuckte zusammen und warf Trace einen verstohlenen Blick zu. Hatte er bemerkt, dass ihre „Tochter“ sie beim Vornamen rief? Falls ja, ließ er sich nichts anmerken.
Becca richtete ihren Pullover und fuhr sich durchs Haar. „Wir sind hier, Schatz!“, rief sie zurück.
Eine Sekunde später betrat Gabi in ihrem Parka und mit dem Schulranzen die Küche. „Oh“, sagte sie, als sie Trace erblickte. Becca glaubte, einen Anflug von schlechtem Gewissen in ihren Augen zu erkennen.
Oh Gabi! Was hast du getan?
Gabis Blick fiel auf den Teller mit Keksen, die Kakaobecher und die beiden Menschen, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt standen. Misstrauisch sah sie Becca an.
„Hi, Gabrielle“, begrüßte Trace sie mit einem munteren Lächeln. „Du kommst aber früh aus der Schule. Endet der Unterricht nicht erst in einer Stunde?“
Gabi zog die Mütze ab und zuckte beiläufig mit den Schultern. „Ich hatte Magenschmerzen. Ich muss mich hinlegen.“
Becca wusste, dass sie log, aber vor Trace wollte sie ihre Schwester nicht bloßstellen. Ihre Probleme würden sie nur unter vier Augen besprechen – ohne den attraktiven Polizisten als Zeugen.
Der lauschte ihrem Gespräch interessiert. Becca bemühte sich, mütterlich zu klingen. „Schatz, bei diesem Wetter kannst du doch nicht zu Fuß laufen – vor allem, wenn es dir nicht gut geht. Du hättest mich anrufen sollen. Ich hätte dich abgeholt.“
„Ich dachte, du hast zu tun.“ Gabis Blick wanderte zu Trace. „Stimmt ja wohl auch.“
Sie wurde rot und war dankbar, dass Gabi nicht fünf Minuten früher aufgetaucht war. „Hast du deiner Klassenlehrerin oder jemand im Sekretariat gesagt, dass du nach Hause gehst?“
Gabi blieb die Antwort schuldig, und Becca spürte einen Knoten im Magen. Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, waren Probleme in der Schule.
„Daran habe ich gar nicht gedacht“, antwortete sie trotzig. „Wir hatten gerade Pause. Eigentlich wollte ich auf die Toilette, aber dann fand ich, es ist besser, ich komme nach Hause. Der Unterricht war ohnehin fast vorbei. Außerdem ist die Schule ganz in der Nähe. Da brauchst du mich doch nicht abzuholen.“
Sie musste Trace aus dem Haus komplimentieren, um herauszufinden, was wirklich los war. Wie sie diese Lügen und Täuschungsmanöver hasste! Schon als Kind hatte sie damit leben müssen. „Ich rufe in der Schule an und entschuldige dich. Nicht, dass sie nachher noch eine Vermisstenanzeige aufgeben.“
Der Scherz ging gründlich daneben, denn weder Trace noch Gabi lächelten.
„Das nächste Mal hältst du dich an die Regeln, okay? Du rufst mich an, und egal, was ich gerade mache, ich komme und hole dich ab.“
„Ja-ha“, erwiderte Gabi genervt. „Kann ich jetzt in mein Zimmer?“
„Geh nur. Ich komme gleich und schau nach dir.“ Sie legte eine Hand auf Gabis Haar, das trotz Mütze vom Schnee ein wenig feucht geworden war.
„Tut mir leid“, murmelte Gabi.
„Kein Problem. Ruh dich aus.“
Eilig lief das Mädchen aus dem Zimmer, und Becca griff nach ihrem Handy,
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