Schoene, raetselhafte Becca
gekommen, um Gabi mitzunehmen?
Keine Panik! versuchte sie sich zu beruhigen. Zu ihrer Überraschung schien er sie wegen ihrer Lügen nicht zu verurteilen. Er zeigte sogar Verständnis. Einen solchen Großmut hätte sie ihm dann doch nicht zugetraut.
Sie holte tief Luft und entzog ihm ihre Hand. „Wie hast du das denn herausbekommen … mit Gabi?“
Er lächelte – ein merkwürdig trauriges Lächeln. „Das kann ich dir nicht verraten. Eine vertrauliche Quelle, du weißt schon. Du musst nicht mit mir darüber reden, wenn du nicht willst. Du behelligst andere Menschen nicht mit deinen Privatangelegenheiten, und das respektiere ich. Aber wenn du irgendetwas brauchst, und sei es nur eine Schulter, um dich anzulehnen – ich bin für dich da. Wie lange trägst du das denn nun schon mit dir herum?“
Wie ein oft gesehener Film lief die Vergangenheit vor Beccas geistigem Auge ab. Sie dachte an die schrecklichen Wochen, nachdem Monica verschwunden und eine total verängstigte Gabi zurückgelassen hatte. Natürlich war Becca wütend auf Monica, weil sie ihr Kind im Stich gelassen hatte, ohne ihr ein Wort zu sagen … und dann war ihr klar geworden, dass Monica mehrere Schecks mit Beccas Unterschrift gefälscht und fast sämtliche Ersparnisse vom Konto abgehoben hatte.
Das war gewesen, bevor alle Betrügereien, die Monica unternommen hatte, ans Licht gekommen waren und Becca erkennen musste, wie tief ihre Mutter sie mitgerissen hatte. Becca war Anwältin in einem Maklerbüro. Monica musste gewusst haben, dass die kleinste Unregelmäßigkeit dazu führen konnte, dass Becca ihre Anwaltslizenz verlor.
Glücklicherweise hatten ihre Vorgesetzten ihr geglaubt, als sie ihnen die Lage schilderte, und ihr geholfen, die Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Dafür hatte sie mit ihrem gesamten Vermögen geradestehen müssen. Und dann war da noch dieses völlig verunsicherte neunjährige Mädchen gewesen, das gar nicht bei ihr bleiben wollte.
Tränen traten ihr in die Augen. Sie war es so müde, die ganze Last allein zu tragen. Sie sehnte sich so sehr danach, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen.
„Etwa vier Monate“, gestand sie.
„Aber es kann wieder gut werden, nicht wahr?“ In seinen dunklen Augen spiegelten sich Mitgefühl und Sorge. Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. Seine Reaktion schien der Situation überhaupt nicht angemessen.
„Ich weiß nicht“, erwiderte sie vorsichtig. „Wenn dir etwas dazu einfällt, würde ich es gern hören.“
„Würde denn eine Operation nicht helfen?“
Ihre Verwirrung wurde immer größer – ebenso wie das ungute Gefühl. „Entschuldige, aber … von welcher Operation sprichst du?“
„Von Gabis Herzoperation.“
Sie hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. „Gabi hat einen Herzfehler?“
Jetzt guckte er genauso verwirrt wie sie. Das Schweigen, das ihrer Bemerkung folgte, lastete schwer zwischen ihnen. Schließlich ließ er sich auf das altmodische durchgesessene Sofa sinken. „Hat sie etwa keinen?“
„Nein. Wie um alles in der Welt kommst du denn darauf?“
Seine Gesichtszüge wurden härter. „Ich weiß nicht. Vielleicht, weil meine Nichte dieses Jahr Geld statt Geschenke zu Weihnachten haben möchte, das sie Gabi für ihre Herzoperation geben will.“
Allmählich geriet sie in Panik. Ihr Herz raste, und ihre Hände wurden feucht. Um Himmels willen, Gabi, was hast du getan!?
„Ich bin sicher, dass das ein Missverständnis ist.“ Bitte, lieber Gott, lass es ein Missverständnis sein. „Gabi hat überhaupt keine Herzprobleme, das schwöre ich dir. Sie ist vollkommen gesund.“
Seine Miene wirkte wie versteinert. „Dann erklär mir doch bitte, wieso meine Nichte sich in diesem Jahr Geld für eine vollkommen unnötige Operation deiner Tochter wünscht?“
Weil Gabi von ihrer Mutter gelernt hat, wie man andere Menschen übervorteilt und hinters Licht führt. Becca wusste nicht, ob sie mehr Mitleid für ihre Schwester oder deren Opfer empfand.
„Diese Frage kann ich dir nicht beantworten“, erwiderte sie grimmig. „Aber ich verspreche dir, dass ich es herausfinden werde.“
„Laut Destry gibt es noch fünf andere Mädchen an der Schule, die in diesem Jahr auf Weihnachtsgeschenke verzichten wollen, um deiner Tochter zu helfen.“
Ihr wurde übel, als sie an die Probleme dachte, die auf sie zukamen. Ach, Gabi! Wie konntest du nur so etwas tun? Verzweifelt schloss sie die Augen. Wie würde sie diesem Gespinst aus Lüge und
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