Schoene, raetselhafte Becca
dem Arm aus der Küche. „Wie ich dich kenne, wirst du zwischen Weihnachten und Neujahr Doppelschichten einlegen.“
Er sah verlegen aus. „Nun übertreib mal nicht, Donna. Meine Leute arbeiten das ganze Jahr über sehr hart. Da finde ich es nur richtig, wenn ich ihnen während der Feiertage ein bisschen Freizeit gönne.“
Beccas Herz klopfte schneller. Was für ein liebenswerter, fürsorglicher Mensch. Er arbeitete fast rund um die Uhr, nur um seinen Kollegen ein bisschen Zeit zu verschaffen. Welche Frau konnte einem solchen Mann widerstehen? Zu ihrem Schrecken stellte Becca fest, dass sie nicht dabei war, sich in den Mann zu verlieben.
Denn sie hatte sich schon in ihn verliebt!
Wann war das passiert? An dem Tag, als er sie im Lokal vor der Gruppe von Männern beschützte, die sie dumm angemacht hatten? Als er ihr den Weihnachtsbaum ins Haus gebracht hatte? Als er ihr erzählte, dass er den hässlichen Hund ihres Großvaters mit zu sich nach Hause genommen hatte, weil ihn sonst keiner haben wollte?
Was, wenn sie ihm die Wahrheit erzählte? Bestimmt würde er alles verstehen und ihr verzeihen. Er musste einfach. Schließlich hatte sie nur versucht, ihre Schwester zu schützen.
Während Lou sich um Traces Bestellung kümmerte, eilte sie ins Hinterzimmer, um die letzten Plätzchen zu holen, die übrig geblieben waren, und stopfte sie in eine Tüte. Sie wusste, dass Trace Süßigkeiten liebte. Vielleicht versüßten ihm diese seinen langen Arbeitstag.
Als sie ins Lokal zurücklief, klingelte ihr Handy. Auf dem Display erkannte sie die Nummer ihrer Mutter. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie den Anruf entgegennehmen sollte. Aber da Monica bei Gabi war, konnte es vielleicht ein Notfall sein. „Ja, hallo?“ Sie sprach leise, damit niemand sie hören konnte.
„Sie packt meine Sachen.“
Es war Gabis Stimme, und ihr flehender Tonfall ließ ihr Herz zu einem Eisklumpen werden. „Was?“ Vielleicht – hoffentlich ! – hatte sie Gabi nur falsch verstanden.
„Sie ist gerade im Badezimmer. Deshalb rufe ich dich auf ihrem Handy an. Sie packt all meine Sachen. Ich glaube, sie will wegfahren, bevor du wieder hier bist.“
Panik ergriff sie. Sie hatte es längst vermutet. Verdammt noch mal! Warum hatte sie Gabi nicht mit zur Arbeit genommen? Wann würde sie endlich lernen, dass sie Monica keinen Meter über den Weg trauen konnte? „Es ist Heiligabend.“
„Ich weiß.“ Gabis Stimme zitterte. „Ich habe sie gebeten, bis nach Weihnachten zu warten, aber sie sagte, wir müssten sofort fahren. Jemand wartet in Kalifornien auf sie – ein Mann. Sie hat mir alles über ihn erzählt. Ihm hat sie gesagt, dass ich im Internat bin und die Ferien mit ihr zusammen verbringen werde.“
Nein. Nein! Das konnte Becca nicht zulassen. Das durfte sie nicht zulassen. Gehetzt blickte sie aus dem Fenster und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Ihr Blick fiel auf Trace – groß, solide, vertrauenerweckend. Angeregt unterhielt er sich mit Donna.
„Ich hoffe, du weißt, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du Probleme hast.“
Sie musste es ihm sagen. Er war der Einzige, der ihr helfen konnte. Wie, wusste sie zwar nicht, aber sie würde nichts unversucht lassen, um ihre Schwester zu retten.
„Halt sie auf. Denk dir irgendetwas aus, aber halt sie auf, okay?“
Ein paar Sekunden lang schwieg Gabi. „Ich versuche es.“ Sie klang zweifelnd. Vermutlich überlegte sie, ob sie dem richtigen Menschen vertraute.
Becca konnte es ihr nicht verübeln. „Leg jetzt auf. Sie soll auf keinen Fall erfahren, dass du mich angerufen hast. Du musst die Anrufliste löschen. Weißt du, wie das geht?“
„Das kann ich herausbekommen.“ Plötzlich klang Gabi sehr kindlich. Kindlich und verängstigt. „Ich möchte nicht weggehen, Becca. Mir gefällt es hier … mit dir.“
Becca kämpfte mit den Tränen. Diese Worte hatte sie von ihrer kleinen Schwester noch nie gehört. „Ich weiß, und ich lasse nicht zu, dass sie das tut. Dein Platz ist bei mir. Sieh zu, dass du sie aufhältst. Irgendwie.“
„Okay. Ich muss jetzt Schluss machen. Ich höre die Wasserspülung rauschen.“
Gabi beendete das Gespräch, und Becca holte tief Luft. In ein paar Sekunden würde alles ganz anders sein. Die Zeit der Lügen und Täuschungen war vorbei. Hinterher würde Trace sie vielleicht hassen, aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen.
Sie musste ihre Schwester retten – egal, wie hoch der Preis dafür war.
Ich darf
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