Schoene, raetselhafte Becca
in der Kehle. „Ich habe alles zerstört“, schluchzte sie. „Es tut mir so leid, Becca. Ich hätte doch nie gedacht, dass sie hierherkommen würde.“
Sie strich über Gabis feuchtes Haar. „Es ist nicht deine Schuld. Monica mag nun mal Überraschungen. Das war schon immer so.“
„Ich hätte sie niemals anrufen dürfen.“
Sie wollte ihre Schwester nicht anlügen. Gabi hatte schon genug Unwahrheiten in ihrem Leben gehört. „Das macht die Dinge sicherlich nicht einfacher. Aber wir werden es schon schaffen.“
„Sie wird uns Weihnachten verderben.“
„Nicht, wenn wir es nicht wollen.“
„Versprichst du mir das?“
Der hoffnungsvolle Ton in Gabis Stimme versetzte Becca einen Stich ins Herz. Sie fühlte sich plötzlich außerstande, sich angemessen um ihre kleine Schwester zu kümmern. „Ich verspreche es dir“, antwortete sie und schloss sie noch fester in die Arme.
In Wahrheit hatte sie keine Ahnung, wie sie ihr Versprechen halten sollte.
9. KAPITEL
Becca war felsenfest davon überzeugt, dass Monica etwas im Schilde führte. Seit sie vierundzwanzig Stunden zuvor wie eine dunkle bedrohliche Regenwolke über der Stadt hereingebrochen war, telefonierte sie praktisch ununterbrochen. Dafür suchte sie jedes Mal das mit Umzugskartons vollgestopfte Gästezimmer auf, wo niemand sie hören konnte.
Außerdem war sie merkwürdig aufgekratzt. Was Becca jedoch am meisten beunruhigte, war der Umstand, dass sie Gabi ständig beobachtete – mit Blicken, die Becca nicht einschätzen konnte und die sie das Schlimmste befürchten ließen. Jedes Mal, wenn Monica von Becca dabei ertappt wurde, setzte sie ein unschuldsvolles Lächeln auf, wovon sich ihre älteste Tochter freilich nicht täuschen ließ.
Noch nie hatte Becca sich so hilflos gefühlt. Am liebsten hätte sie ihre Mutter vor die Tür gesetzt, denn sie wollte verhindern, dass sie Gabis erstes wirkliches Weihnachtsfest ruinierte. Aber da sie kein Sorgerecht hatte, wusste sie auch, dass Monica fähig war, jederzeit mit Gabi zu verschwinden, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte.
Sie fühlte sich so unwohl, dass sie sich am liebsten krankgemeldet hätte. Doch das konnte sie Lou und Donna unmöglich antun. Vor den Feiertagen herrschte im Gulch noch mehr Betrieb als sonst. Sie musste einfach darauf vertrauen, dass Monica keine Dummheiten beging – was ungefähr so wahrscheinlich war wie eine Hitzewelle zu Weihachten in Pine Gulch.
Eines hatte Monicas Rückkehr in das Leben ihrer Töchter jedenfalls klargemacht: Becca wusste nun, wie sehr sie ihre kleine Schwester liebte. Sie betrachtete sie nicht länger als Klotz am Bein. Sie wollte dafür sorgen, dass Gabi eine unbeschwerte Kindheit hatte – ohne eine Mutter, die ihren Lebensunterhalt mit Schwindeleien bestritt.
Nein, sie durfte Gabi auf keinen Fall ihrer Mutter überlassen. Sie hatte ihr versprochen, dass alles gut werden würde. Und sie wollte alles tun, um Wort zu halten.
Obwohl Becca Gabi gebeten hatte, ihr beim Plätzchen backen zu helfen, von denen sie ein paar den Archuletas’ schenken wollte, gelang es Monica immer wieder, Gabi unter irgendeinem Vorwand aus der Küche zu locken und mit ihr unter vier Augen zu sprechen.
Jedes Mal, wenn Gabi von diesen Unterredungen zurückkam, war sie noch stiller und bedrückter als zuvor.
Nachdem sie die Kekse in kleine Schachteln verpackt hatten, sagte sie, sie sei müde und wolle schlafen gehen. So früh ging sie sonst nie zu Bett, aber Becca hielt sie nicht zurück.
„Nun, ich muss noch einige Anrufe machen“, verkündete Monica und stand vom Küchentisch auf, an dem sie die ganze Zeit gesessen und ihre Töchter nicht aus den Augen gelassen hatte.
„Ehe du gehst, muss ich mit dir reden.“ Becca bemühte sich, entschlossen zu klingen.
Monica lachte, obwohl sie ihren Unmut nur schlecht verbergen konnte. „Das klingt ja geheimnisvoll. Darf ich ein Plätzchen probieren, während du mir deinen Vortrag hältst?“ Ohne auf Beccas Erlaubnis zu warten, nahm sie einen der klebrig-süßen Kekse und begann daran zu knabbern.
„Ich halte keinen Vortrag“, protestierte Becca. „Ich will nur die Wahrheit erfahren. Was hast du mit Gabi vor?“
Monica tat, als habe sie diese Frage verletzt. „Ich weiß nicht, ob ich verstanden habe, was du damit sagen willst.“
„Ich bin nicht dämlich, Monica. Und auch nicht blind. Ich sehe, dass du irgendetwas planst. Und zwar mit Gabi.“
„Wie kommst du darauf?“
Becca biss die Zähne zusammen.
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