Schoene, raetselhafte Becca
Sie hatte keine Lust auf diese Spielchen. „Weil ich dich kenne. Ich war in der gleichen Situation wie Gabi, als ich vor zwölf Jahren den Kontakt zu dir abgebrochen habe. Es reicht jetzt, Monica. Gabi und ich fühlen uns hier wohl. Sie hat Freunde gefunden, und allmählich macht ihr auch die Schule Spaß. Ich überlege, einen Hund und eine Katze anzuschaffen. Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich hier sicher und geborgen, und ich werde nicht zulassen, dass du sie da wieder herausreißt.“
Kaum hatte sie die letzten Worte ausgesprochen, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Es war unklug von ihr, Monica zu erzählen, wie sehr Gabi ihr ans Herz gewachsen war. Hätte Becca sie in dem Glauben gelassen, dass Gabi ihr lästig war, hätte sie sie wahrscheinlich eher in ihrer Obhut gelassen.
„Du fantasierst.“ Monica setzte ihre gekränkte Miene auf. „Warum beschuldigst du mich andauernd irgendwelcher Dinge? Ich bin hergekommen, um mit meinen Töchtern Weihnachten zu feiern.“
„Du planst doch hier nicht wieder irgendetwas, oder?“ Becca musste die Frage einfach stellen.
Die Überraschung in Monicas Gesicht wirkte beinahe echt. „In Pine Gulch? Nein. Hier habe ich meine Lektion schon gelernt.“
Verblüfft sah Becca sie an. „Was soll das heißen?“
„In Pine Gulch habe ich schlechte Erfahrungen gemacht. Nach dem Tod deines Vaters habe ich deinen Großvater um Hilfe gebeten.“ Sie zog einen Schmollmund. Auf einmal konnte sie ihre fünfzig Jahre nicht mehr verleugnen. „Dieser alte Mistkerl hat gedroht, dich mir wegzunehmen. Das hätte ich auf keinen Fall zugelassen. Also habe ich mir geschworen, nie wieder hierhin zurückzukehren. Als ich mit Gabi schwanger war, brauchte ein alter Bekannter von hier eine Unterstützung in einem großen Geschäft. Das Honorar war riesig, aber die Sache endete in einem Desaster.“ Sie machte eine kurze Pause.
„Gott sei Dank war ich nur ein kleines Rädchen. Niemand konnte mir etwas anhängen. Ich habe bloß ein paar Tage lang Nachforschungen angestellt. Es war nicht einfach, das kann ich dir sagen, aber ich bin rechtzeitig aus der Stadt verschwunden, ehe der Kessel explodierte. Du weißt, dass ich Gewalt verabscheue. Damit will ich nichts zu tun haben.“
Monicas Erinnerungen interessierten Becca nicht. Sie wollte nur ihre Schwester beschützen. „Gabi ist hier glücklich“, wiederholte sie. „Glaubst du nicht, dass sie die Chance auf ein normales Leben verdient hat?“
„Gabrielle ist nicht wie du, Rebecca. Du hast immer dieses normale Leben gewollt. Und was hast du jetzt davon? Sieh dich doch an. Kellnerst in einer Kneipe in einem gottverlassenen Kaff irgendwo in Idaho. Das nennst du ein sicheres, glückliches Leben? Für dich vielleicht. Ich habe dich nie verstanden. Gabi ist anders. Sie liebt Abenteuer.“
„Sie ist hier glücklich“, beharrte Becca.
Monica sah ihre älteste Tochter triumphierend an. „Wenn das stimmte, hätte sie mich niemals angerufen. Gute Nacht, Liebes. Schlaf gut.“
Sie rauschte hinaus und ließ Becca mit einem Gefühl der Verzweiflung und einem Eisklumpen im Magen in der Küche zurück.
Heiligabend hatte das Gulch nur bis mittags geöffnet. Zu Beccas Überraschung drückten ihr einige der Stammgäste kleine Geschenke in die Hand. Donna und Lou hatten ihr ein Paket auf das Regal gestellt, wo sie immer ihre persönlichen Sachen ablegte.
Pine Gulch ist wirklich ein nettes Städtchen, dachte sie. Die Menschen taten alles, damit sie sich hier willkommen fühlte.
Ihre fröhliche Festtagsstimmung dauerte bis kurz nach neun Uhr, als der Polizeichef dieses netten Städtchens hereinkam. Er trug Uniform – was ziemlich ungewöhnlich für ihn war –, einen Dienstparka und einen Stetson.
Ihr verräterisches Herz machte einen Sprung, und einen Moment lang wünschte sie, dass die Dinge zwischen ihnen anders wären. Vor allem wünschte sie sich, dass sie ihm von Anfang an die Wahrheit über sich, Gabi und Monica erzählt hätte.
„Fröhliche Weihnachten, Boss. Tisch oder Bar?“
„Fröhliche Weihnachten.“ Er nickte kühl. „Weder noch. Ich möchte nur ein belegtes Brötchen zum Mitnehmen. Auf den Straßen ist der Teufel los.“
„Ich vermute, selbst an Weihnachten gibt’s für Polizisten keine freien Tage.“
Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe den Kollegen mit Familie den Vortritt gelassen. Sie sollen so viel Zeit wie möglich zu Hause verbringen.“
Donna kam mit einer Ladung Servietten unter
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