Schöne Ruinen
Windhund. Den würde ich gar nicht anschauen.«
»Doch, das würdest du.«
Sie lächelte Pasquale zu. »Ja, wahrscheinlich.«
Die beiden Frauen gackerten.
»Elizabeth Taylor war schon viermal verheiratet!«, vertraute die Größere Pasquale an, der am liebsten aus dem Zug gesprungen wäre, um dieses Gespräch zu beenden. Es ging hin und her wie in einem Tennismatch, bei dem beide Spieler immer den Ball trafen.
»Richard Burton war auch schon verheiratet.«
»Sie ist eine Schlange.«
»Eine wunderschöne Schlange.«
»Ihr Benehmen macht sie ordinär. Männer durchschauen so was.«
»Männer schauen nur auf ihre Augen.«
»Männer schauen auf die Titten. Sie ist ordinär!«
»Mit solchen Augen kann sie nicht ordinär sein …«
»Es ist ein Skandal. Die führen sich auf wie Kinder, diese Amerikaner.«
In seiner Not täuschte Pasquale einen Hustenanfall vor. »Entschuldigung.« Hastig verließ er das Klatschabteil und spähte kurz aus dem Fenster. Sie näherten sich bereits dem Bahnhof in Lucca, und er erhaschte einen Blick auf den Duomo aus Backstein und Marmor. Pasquale fragte sich, ob ihm Zeit für einen Spaziergang blieb, ehe er in den Zug nach Rom umsteigen musste.
In Florenz zündete sich Pasquale eine Zigarette an und lehnte sich an den schmiedeeisernen Zaun auf der Piazza d’Azeglio, die ein Stück entfernt auf der anderen Straßenseite von Amedeas Haus lag. Bestimmt hatten sie gerade zu Abend gegessen. Um diese Zeit unternahm Amedeas Vater gern mit der gesamten Familie einen Spaziergang – Bruno, seine Frau und seine sechs schönen Töchter (falls nicht eine von ihnen in den zehn Monaten seit Pasquales Abschied aus Florenz unter die Haube gekommen war) würden sich gleich im Pulk durch die Straße, einmal um den Platz und dann wieder zurück zum Haus schieben. Pasquale fand immer, dass der Alte seine Mäd chen vorführte wie Pferde bei einer Auktion, wenn er den großen, kahlen Schädel stolz zurückwarf und mit feierlich ernstem Gesicht dahinschritt.
Nach einem stark bewölkten Tag war am Abend die Sonne herausgekommen, und alles, was Beine hatte, schien durch die Stadt zu schlendern. Rauchend beobachtete Pasquale die Paare und Familien, bis tatsächlich nach einigen Minuten die Montelupo-Töchter um die Ecke bogen – Amedea und ihre zwei jüngsten Schwestern. Zwischen diesen und Amedea, der Ältesten, gab es noch drei weitere Mädchen, die aber an scheinend geheiratet hatten. Bei Amedeas Anblick hielt Pasquale den Atem an, so hinreißend war sie. Als Nächstes kam Bruno um die Ecke, gefolgt von Signora Montelupo, die einen Kinderwagen schob. Als er den Kinderwagen bemerkte, ließ Pasquale die Luft mit einem tiefen Seufzer entweichen. So war das also.
Er lehnte an demselben Pfosten wie früher, nachdem er und Amedea angefangen hatten, sich zu treffen. Dass er dort stand, war ein Signal. Er spürte ein Flattern in der Brust wie damals, und da bemerkte sie ihn und blieb wie angewurzelt stehen, um sich an der Wand festzuhalten. Pasquale fragte sich, ob sie auch jetzt noch jeden Tag zu diesem Pfosten spähte. Ohne etwas von seiner Gegenwart zu ahnen, gingen Amedeas Schwestern weiter; dann setzte sich auch Amedea wieder in Bewegung. Pasquale nahm die Mütze ab – der zweite Teil ihres alten Signals. Von der anderen Seite der Piazza aus sah er, dass Amedea den Kopf schüttelte: nein. Pasquale setzte die Mütze wieder auf.
Die drei Mädchen liefen vorneweg, Amedea mit der kleinen Donata und Francesca. Hinter ihnen flanierten Bruno und seine Frau mit dem Baby im Wagen. Ein junges Paar blieb stehen, um das Kind zu bewundern. Ihre Stimmen drangen über den Platz bis zu Pasquale.
»Er ist so groß, Maria«, rief die Frau.
»Das muss er auch. Er isst so viel wie sein Vater.«
Bruno lachte stolz. »Unser hungriges kleines Wunder.«
Die Frau griff in den Wagen, um das Kind in die Wange zu kneifen. »Lass noch was übrig für deine Schwestern, kleiner Bruno.«
Amedeas Schwestern hatten sich umgedreht, um zu beobachten, wie das Baby bestaunt wurde, doch Amedea starrte unverwandt über die Piazza, als würde Pasquale verschwinden, sobald sie ihn aus den Augen ließ.
Pasquale musste ihrem Blick ausweichen.
Die Frau, die den kleinen Bruno anhimmelte, wandte sich Amedeas jüngster Schwester zu, die zwölf war. »Und gefällt es dir, dass du jetzt ein Brüderchen hast, Donata?«
Sie bejahte.
Dann wurde die Unterhaltung leiser und vertrauter. Pasquale hörte nur noch Bruchstücke über den Regen und
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