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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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schien interessiert. »Sagen Sie was Lustiges.«
    Pasquale zögerte kurz. »Ich frage, liebt sie ihn, und sie sagt ja. Ich frage, ist er auch verliebt. Sie sagt ja, der Mann ist er verliebt in sich.«
    Der Mann lächelte nicht. »Okay.« Er reichte Pasquale seinen Ausweis zurück, dazu eine Karte mit einer Nummer darauf. Die Nummer lautete 5410. Er deutete auf den Ausgang, durch den mit Ausnahme der Schönen in der Ecke fast alle verschwunden waren. »Bus vier.«
    »Nein, ich möchte finden …«
    Doch der Mann hatte sich schon dem nächsten Wartenden zugewandt.
    Pasquale folgte der gewundenen Schlange zu einer Reihe von Bussen. Schließlich gelangte er zum vierten Bus, in dem ausschließlich Männer im Alter zwischen zwanzig und vierzig saßen. Nach einigen Minuten beobachtete er, wie die hübschen Frauen zu einem kleineren Bus gebracht wurden. Nachdem noch einige weitere Männer eingestiegen waren, schloss sich quietschend die Tür, und sie setzten sich mit dröhnendem Motor in Bewegung. Sie fuhren durch die Stadt und stoppten in einer Gegend im Centro, die Pasquale nicht kannte. Langsam schoben sich alle hinaus. Pasquale folgte ihnen, weil ihm nichts anderes einfiel.
    Kurz darauf passierten sie einen Durchgang mit dem Schild ZENTURIONEN . Tatsächlich standen hinter dem hohen Zaun überall kostümierte römische Zenturionen, die rauchten, Panini aßen, Zeitung lasen oder sich miteinander unterhielten. Hunderte von Leuten mit Rüstung und Speer. Es waren keine Kameras oder Filmteams zu sehen, nur die als Zenturionen verkleideten Männer mit Armbanduhren und Filzhüten.
    Obwohl er sich dabei ziemlich dumm vorkam, schloss sich Pasquale der Schlange derer an, die noch nicht kostümiert waren. Sie führte zu einem kleinen Gebäude, wo Maß genommen und anprobiert wurde. Pasquale wandte sich an den Mann vor ihm. »Gibt’s hier jemand, der was zu sagen hat?«
    »Nein, das ist ja das Schöne.« Der Angesprochene zog sein Jackett auf und zeigte Pasquale, dass er fünf von den nummerierten Karten aus dem Hotel hatte. »Ich stell mich einfach immer wieder in die Schlange. Die Idioten zahlen jedes Mal. Ich hol mir nicht mal ein Kostüm. Es ist so einfach, dass man fast schon Angst kriegen könnte.« Er zwinkerte.
    »Aber ich sollte eigentlich gar nicht hier sein«, meinte Pasquale.
    Der Unbekannte lachte. »Keine Sorge. Die erwischen dich nicht. Heute wird sowieso nicht gedreht. Entweder es regnet, oder jemandem passt das Licht nicht, oder nach einer Stunde wird verkündet: ›Mrs. Taylor ist wieder krank‹, und sie schicken uns heim. Die filmen höchstens an einem von fünf Tagen. Als es so stark geregnet hat, habe ich einen kennengelernt, der jeden Tag sechsmal bloß fürs Erscheinen bezahlt wurde. Er ist zu allen Drehorten für die Statisten gegangen und hat sich überall Geld geben lassen. Am Ende sind sie ihm auf die Schliche gekommen und haben ihn rausgeschmissen. Weißt du, was er dann gemacht hat? Hat eine Kamera geklaut und sie einem italienischen Filmunternehmen verkauft. Und weißt du, was die gemacht haben? Haben sie den Amerikanern zum doppelten Preis zurückverkauft. Ha!«
    Als sich die Schlange langsam dahinschob, näherte sich ihnen ein Mann im Tweedanzug. Er wurde von einer Frau mit Klemmbrett begleitet. Der Mann wies die Frau in abgehacktem, heftigem Tonfall an, Notizen zu machen. Sie nickte und schrieb. Manchmal schickte er Leute weg, die froh verschwanden. Als er zu Pasquale kam, blieb er stehen und lehnte sich ganz nah zu ihm vor. Pasquale wich zurück.
    »Wie alt ist er?«
    Pasquale antwortete auf Englisch, bevor die Frau übersetzen konnte. »Ich bin einundzwanzig Jahre.«
    Nun fasste der Mann Pasquale am Kinn und drehte sein Gesicht, um ihm direkt in die Augen zu schauen. »Wo hast du die blauen Augen her, Freund?«
    »Meine Mutter, sie hat blaue Augen. Sie ist aus Ligurien. Dort viele blaue Augen.«
    Der Mann wandte sich an die Dolmetscherin. »Sklave?« Dann wieder an Pasquale: »Willst du Sklave sein? Du kriegst ein bisschen mehr Geld. Vielleicht sogar mehr Drehtage.« Ehe Pasquale den Mund öffnen konnte, sagte der Mann zu der Frau: »Schick ihn zu den Sklaven.«
    »Nein. Warten Sie.« Wieder kramte er seinen Zettel heraus und zeigte ihn vor. »Ich will nur finden Michael Deane. In meinem Hotel ist Amerikanerin. Dee Moray.«
    Der Mann im Tweedanzug riss die Augen auf. »Was war das?«
    »Ich will finden …«
    »Hast du Dee Moray gesagt?«
    »Ja. Sie ist in meinem Hotel. Deswegen ich komme zu

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