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Schöne Ruinen

Schöne Ruinen

Titel: Schöne Ruinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Walter
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her!«
    Sie blätterte weiter, um herauszufinden, was so verfänglich war, dass er ihr lieber seine Graspfeife gegeben hatte, als zuzugeben, dass er einen Song schrieb.
    »Verdammte Scheiße, gib es her, Mom!«
    Auf der letzten beschriebenen Seite stieß sie auf den Song, den er vor ihr verstecken wollte, und ihre Schultern sackten nach vorn, als sie die Überschrift las: »The Smile of Heaven«. Das Lächeln des Himmels – der Titel von Alvis’ Buch. Sie las den Refrain: I used to believ e / He’d come back for me / Why’s heaven smilin g / When this shit ain’t funny –
    Oh. Debra war zerknirscht. »Ich … tut mir leid, Pat. Ich dachte …«
    Er nahm das Heft wieder an sich.
    Nur ganz selten konnte sie einen Blick unter Pats glatte, sarkastische Oberfläche werfen, und manchmal vergaß sie, dass dort ein Junge war – ein verletzter Junge, der seinen Vater vermisste, obwohl er sich nicht an ihn erinnern konnte. »Ach, Pat«, seufzte sie. »Ich soll also lieber glauben, dass du Gras rauchst, als erfahren, dass du einen Song schreibst?«
    Er rieb sich die Augen. »Der Song ist schlecht.«
    »Nein, Pat. Er ist wirklich gut.«
    »Rührselige Kacke«, knurrte er. »Mir war klar, dass du unbedingt darüber reden willst.«
    Sie setzte sich aufs Bett. »Also … dann reden wir darüber.«
    »Ach, verdammt.« Er starrte an ihr vorbei auf einen Punkt am Boden. Dann lachte er blinzelnd und schien aus einer Trance zu erwachen. »Nichts Besonderes. Bloß ein Song.«
    »Pat, ich weiß, es war schwer für dich …«
    Er zuckte zusammen. »Ich glaube, du verstehst nicht ganz, wie wenig ich darüber sprechen möchte. Bitte. Können wir nicht später reden?«
    Als sie sich nicht bewegte, stieß Pat sie sachte mit dem Fuß an. »Mach schon. Ich muss noch mehr rührselige Kacke schreiben, und du kommst zu spät zu deiner Verabredung. Und wenn du unpünktlich bist, lässt dich L.E. Steve ein paar Strafrunden drehen.«
    L.E. Steve fuhr einen Plymouth Duster mit tiefen Schalensitzen. Mit seinem helmartigen, seitlich gescheitelten Haar, dem kantigen Kinn und einem athletischen Körper, der Anzeichen einer beginnenden Wölbung zeigte, sah er aus wie ein leicht verlotterter, in die Jahre gekommener Superheld. Männer haben eine Halbwertszeit, dachte sie, genau wie Uran.
    »Was schauen wir uns an?«, fragte Steve im Wagen.
    Es war ihr peinlich, es auszusprechen: » Der Exorzist II. « Sie zuckte die Achseln. »Ein paar Schüler haben in der Bibliothek darüber geredet. Klang irgendwie interessant.«
    »Hab nichts dagegen. Ich dachte, du stehst eher auf diese ausländischen Kunstfilme, so was mit Untertiteln, die ich nicht verstehe.«
    Debra lachte. »Die Besetzung ist gut. Linda Blair, Louise Fletcher, James Earl Jones.« Den letzten Namen brachte sie kaum heraus. »Richard Burton.«
    »Richard Burton? Ist der nicht tot?«
    »Noch nicht«, erwiderte sie.
    »Okay«, meinte L.E. Steve, »aber vielleicht musst du mir die Hand halten. Der erste Exorzist hat mir eine Scheißangst eingejagt.«
    Sie schaute zum Fenster hinaus. »Den hab ich nicht gesehen.«
    Sie aßen in einem Fischrestaurant zu Abend, und sie nahm es zur Kenntnis, als er sich eine ihrer Krabben angelte, ohne zu fragen. Die Unterhaltung war leicht und beiläufig. Steve fragte nach Pat, und Debra antwortete, dass er sich ganz gut mache. Merkwürdig, dass jedes Gespräch über Pat zunächst einmal von Schwierigkeiten ausging.
    »Mach dir keine Sorgen um ihn«, meinte Steve, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Er ist zwar ein miserabler Hallenhockeyspieler, aber ein guter Junge. Du weißt doch, wie das mit talentierten Kindern ist. Je mehr Probleme sie haben, desto erfolgreicher sind sie später als Erwachsene.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Weil ich nie Probleme hatte, und jetzt bin ich Sportlehrer.«
    Nein, es lief wirklich nicht schlecht. Sie saßen schon früh im Kino und teilten sich eine Tüte M&Ms und eine Armlehne. Sie redeten über ihre Vorgeschichte (Sie: seit einem Jahrzehnt Witwe, Mutter tot, Vater wieder verheiratet, ein jüngerer Bruder und zwei Schwestern. Er: geschieden, zwei Kinder, zwei Brüder, Eltern in Arizona) und den neuesten Klatsch: zum Beispiel, dass einige Schüler in einem Versteck über der Drehbank die saftigen Pornos des Handwerkslehrers entdeckt hatten (Er: Eigenwillige Auffassung von Handwerk ) und dass Mrs. Wylie den Autofreak Dave Ames verführt hatte (Sie: Aber Dave Ames ist doch noch ein Junge. Er: Jetzt nicht mehr ). Dann

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