Schöne Scheine
zu Fräulein Gardinia auf, die sich gegen das Licht der Lampe als Schattenriss abzeichnete.
»Du hattest einen ziemlich komischen Anfall, Herr Beuge«, sagte sie in der langsamen, vorsichtigen Redeweise, die man für gewöhnlich bei Patienten und Menschen mit gefährlicher Bewaffnung verwendete.
»Einen komischen Anfall? Ich habe etwas Komisches getan?« Er hob den Kopf vom Kissen und schnupperte.
»Du trägst ein Halsband aus Knoblauchzehen, Fräulein Gardinia?«, sagte er.
»Es ist nur eine ... Vorsichtsmaßnahme«, sagte sie mit schuldbewusster Miene, »gegen ... Erkältung ... ja, gegen Erkältung. Man kann gar nicht vorsichtig genug sein. Wie fühlst du dich?«
Herr Beuge zögerte. Er war sich nicht sicher, wie er sich fühlte. Er war sich nicht einmal sicher, wer er war. Irgendwo in ihm schien ein Loch zu sein. Er selbst schien ein einziges Loch zu sein.
»Was ist geschehen, Fräulein Gardinia?«
»Ach, mach dir deswegen nur keine Sorgen«, sagte Fräulein Gardinia mit unsicherer Fröhlichkeit.
»Aber die mache ich mir, Fräulein Gardinia.«
»Der Arzt sagte, dass du dich nicht aufregen sollst, Herr Beuge.«
»Soweit mir erinnerlich ist, habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie aufgeregt, Fräulein Gardinia.«
Die Frau nickte. Leider war es sehr leicht, dieser Behauptung Glauben zu schenken.
»Du kennst doch Herrn Lipwig, ja? Man sagt, er hätte alles Gold aus dem Tresor gestohlen! ...« Nach und nach offenbarten sich die Einzelheiten der Geschichte. An vielen Stellen bestand sie aus Spekulationen, die Fräulein Gardinia aus erster oder zweiter Hand gehört hatte, und da sie regelmäßig den Kittchen-Kurier las, wurde sie im typischen Stil erzählt, in dem die Zeitschrift über grauenhafte Morde zu berichten pflegte.
Was sie am meisten schockierte, war die Art und Weise, wie der Mann einfach nur dasaß. Ein- oder zweimal forderte er sie auf, ein bestimmtes Detail zu erläutern, aber an seiner Miene änderte sich nicht das Geringste. Sie gab sich Mühe, die Sache möglichst aufregend darzustellen, sie bemalte praktisch die Wände mit Ausrufungszeichen, aber er reagierte überhaupt nicht.
»... und nun wird er ins Kittchen geworfen«, sagte Fräulein Gardinia. »Wie man hört, soll er gehenkt werden. Ich glaube, gehenkt zu werden ist noch schlimmer, als gehängt zu werden.«
»Aber das Gold ist nirgendwo auffindbar ...«, flüsterte Mavolio Beuge und lehnte sich gegen das Kissen.
»Richtig! Manche Leute sagen, es wurde bei Nacht und Nebel von gemeinen Komplizen fortgeschafft! Herr Üppig soll ihn mit entscheidenden Aussagen belastet haben.«
»Ich bin verflucht, Fräulein Gardinia, verflucht und verdammt«, sagte Herr Beuge und starrte gegen die Wand.
»Du, Herr Beuge? So solltest du nicht reden! Du, der niemals einen Fehler gemacht hat!«
»Aber ich habe gesündigt. Oh ja. Ich habe falsche Götzen verehrt!«
»Nun ja, manchmal findet man die richtigen nicht«, sagte Fräulein Gardinia, tätschelte seine Hand und fragte sich, ob sie jemanden rufen sollte. »Also, wenn du Absolution brauchst - ich habe gehört, dass man bei den Ionianern diese Woche zwei Sünden für eine bekommt...«
»Es hat mich erwischt«, flüsterte er. »Oh ja, Fräulein Gardinia. In mir ist etwas, das nach draußen drängt!« »Keine Sorge, wir haben einen Eimer im Haus«, sagte Fräulein Gardinia.
»Nein! Du solltest jetzt gehen! Es wird schrecklich werden!«
»Ich werde nirgendwohin gehen, Herr Beuge«, sagte Fräulein Gardinia mit unerschütterlicher Entschlossenheit. »Du hattest nur einen komischen Anfall, das ist alles.«
»Ha!«, sagte Herr Beuge. »Ha ... ha ... haha ...« Das Lachen stieg in seiner Kehle empor wie etwas aus der Gruft.
Sein hagerer Körper erstarrte und bäumte sich auf, als wollte er sich von der Matratze erheben. Fräulein Gardinia warf sich quer über das Bett, aber es war schon zu spät. Die Hand des Mannes hob sich zitternd und zeigte mit einem Finger auf den Schrank.
»Es geht wieder los!«, schrie Beuge.
Das Schloss klickte. Die Türen schwangen auf.
Im Schrank befanden sich ein Stapel Akten und etwas ... Verhülltes. Herr Beuge öffnete die Augen und blickte in die von Fräulein Gardinia.
»Ich habe es mitgebracht«, sagte er wie im Selbstgespräch. »Ich habe es so sehr gehasst, dass ich es mitgebracht habe. Warum? Wer hat hier das Sagen?«
Fräulein Gardinia schwieg. Sie wusste nur, dass sie diese Sache bis zum Ende durchstehen musste. Schließlich hatte sie die Nacht
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