Schöne Scheine
hast vor Gericht gegen ihn ausgesagt, Herr Lipwig«, sagte Rolle ruhig.
»Ja, sicher, aber doch nur, um zu bestätigen, dass es unsere Briefmarken waren, die er nachgemacht hat, und wie viel wir dadurch verlieren könnten! Ich hatte nicht erwartet, dass man ihn hängen würde!«
»Seine Lordschaft reagiert recht empfindlich auf Hochverrat gegen die Stadt, wie er es bezeichnet. Ich glaube, Janken wurde von seinem Anwalt schlecht beraten. Schließlich hat er durch seine Arbeit bewirkt, dass unsere Marken wie Fälschungen aussehen. Weißt du, ich habe den Eindruck, dass der arme Kerl gar nicht richtig verstanden hat, dass er etwas Ungesetzliches getan hat.«
Feucht erinnerte sich an die verängstigten wässrigen Augen und den Ausdruck hilfloser Verwirrung. »Ja«, sagte er. »Du könntest Recht haben.«
»Könntest du vielleicht deinen Einfluss bei Vetinari nutzen, um ...?«
»Nein. Das würde nicht funktionieren.«
»Aha. Bist du dir sicher?«
»Ja«, sagte Feucht kategorisch.
»Nun gut, man kann nicht alles haben. Inzwischen wären wir sogar in der Lage, die Scheine automatisch zu nummerieren. Aber die künstlerische Gestaltung sollte das Beste vom Besten sein. Oh Götter, es tut mir leid, ich wünschte, ich könnte helfen. Wir schulden dir sehr viel, Herr Lipwig. Mittlerweile kommen so viele offizielle Aufträge herein, dass wir den Platz im Münzamt unbedingt brauchen. Ich sage dir, wir sind praktisch die Hofdruckerei der Stadtverwaltung!«
»Wirklich?«, sagte Feucht. »Das ist sehr ... interessant.«
Es regnete gnadenlos. Die Rinnsteine gurgelten und versuchten das Wasser wieder auszuspucken. Gelegentlich packte der Wind einen der Sturzbäche von den Dächern und schlug jedem, der nach oben schaute, einen Schwall Wasser ins Gesicht. Aber es war keine Nacht, in der man nach oben schauen sollte. Es war eine Nacht, in der man den Kopf einziehen und nach Hause eilen sollte.
Regentropfen trommelten gegen die Fenster der Pension von Frau Kuchen, insbesondere gegen die des Hinterzimmers, das von Mavolio Beuge bewohnt wurde, und zwar mit einer Frequenz von siebenundzwanzig Schlägen pro Sekunde, plus oder minus fünfzehn Prozent.
Herr Beuge rechnete gern. Den Zahlen konnte man vertrauen, vielleicht mit Ausnahme von Pi, aber daran arbeitete er in seiner Freizeit, und früher oder später würde es seinen Bemühungen nachgeben müssen.
Er saß auf seinem Bett und beobachtete die Zahlen, die durch seinen Kopf tanzten. Sie tanzten immer für ihn, sogar in schweren Zeiten. Und die schweren Zeiten waren sehr schwer gewesen. Nun schienen noch mehr davon vor ihm zu liegen.
Jemand klopfte an seine Tür. Er rief: »Herein, Frau Kuchen.«
Seine Vermieterin drückte die Tür auf.
»Du weißt immer ganz genau, dass ich es bin, nicht wahr, Herr Beuge«, sagte Frau Kuchen, die stets eine Spur nervös war, wenn es um ihren besten Mieter ging. Er zahlte seine Miene pünktlich -sogar überpünktlich - er hielt sein Zimmer penibel sauber, und er war - selbstverständlich - ein professioneller Gentleman. Nun gut, sein Gesichtsausdruck wirkte immer etwas gequält, und dann war da noch diese seltsame Angewohnheit, jeden Morgen ganz genau seine Uhr zu stellen, bevor er zur Arbeit ging. Aber damit konnte sie umgehen. In dieser überfüllten Stadt gab es keinen Mangel an Mietern, aber Leute, die sauber waren und regelmäßig zahlten und sich nie über das Essen beklagten, waren rar genug gesät, sodass man sie hegen und pflegen musste. Und wenn sie ein merkwürdiges Vorhängeschloss an ihrem Schrank anbrachten, sollte man die Sache einfach auf sich beruhen lassen.
»Ja, Frau Kuchen«, sagte Beuge. »Ich weiß, dass du es bist, weil du in einem unverwechselbaren Abstand von eins Komma vier Sekunden klopfst.«
»Wirklich? Na so was!«, sagte Frau Kuchen, der das mit dem »unverwechselbar« sehr gefiel. »Ich sage immer, dass du ein Mann der Addition bist. Äh, gleich kommen drei Männer, die nach dir fragen werden ...«
»Wann?«
»In etwa zwei Minuten«, sagte Frau Kuchen.
Beuge erhob sich und entfaltete sich dabei wie ein Kastenteufel. »Männer? Wie werden sie angezogen sein?«
»Nun, äh, sie tragen, du weißt schon, Kleidung«, sagte Frau Kuchen verunsichert. »Schwarze Kleidung. Einer von ihnen wird mir seine Visitenkarte geben, aber ich werde sie sowieso nicht lesen können, weil ich die falsche Brille aufhabe. Natürlich könnte ich gehen und mir die richtige holen, aber ich bekomme immer ziemliche Kopfschmerzen, wenn
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