Schöne Scheine
ich einer Vorahnung nicht ihren Lauf lasse. Äh ... und jetzt wirst du sagen: >Bitte lass es mich wissen, wenn sie eintreffen, Frau Kuchen.<« Sie sah ihn erwartungsvoll an. »Entschuldigung, aber ich hatte ein Vorahnung, dass ich zu dir raufkomme und dir sage, dass ich eine Vorahnung hatte, also dachte ich mir, dass ich es lieber tue. Es ist vielleicht etwas albern, aber wir alle sind eben so, wie wir gemacht wurden, sage ich immer.«
»Bitte lass es mich wissen, wenn sie eintreffen, Frau Kuchen«, sagte Beuge. Frau Kuchen bedachte ihn mit einem dankbaren Blick, bevor sie davoneilte.
Herr Beuge setzte sich wieder. Das Leben mit Frau Kuchens Vorahnungen konnte gelegentlich etwas kompliziert werden, vor allem jetzt, da sie immer mehr ineinander verschachtelt waren, aber es gehörte zur Gesinnung der Ulmenstraße, dass man den Eigenheiten der anderen wohlwollend gegenüberstand, in der Hoffnung, von ihnen genauso behandelt zu werden. Er mochte Frau Kuchen, aber sie täuschte sich. Man konnte durchaus etwas daran ändern, wie man gemacht war. Wenn das nicht ginge, gäbe es keine Hoffnung.
Nach einigen Minuten hörte er die Türklingel, gefolgt von einer gedämpften Unterhaltung. Dann bemühte er sich, angemessen überrascht zu reagieren, als sie an die Tür klopfte.
Beuge inspizierte die Visitenkarte.
»Herr Cosmo? Oh. Wie seltsam. Du solltest die Leute lieber heraufschicken.« Er wartete und blickte sich um. Raumteilung war derzeit das neue Gebot in der Stadt. Sein Zimmer war genau doppelt so groß wie das Bett, und es war ein recht schmales Bett. Wenn sich hier drinnen drei Menschen auf einmal aufhielten, mussten sie sich schon sehr gut kennen. Vier würden sich sehr gut kennen lernen, ob sie es nun wollten oder nicht. Es gab einen kleinen Stuhl, aber Beuge hatte ihn auf dem Kleiderschrank deponiert, damit er nicht im Weg stand.
»Vielleicht nur Herrn Cosmo«, schlug er vor.
Eine Minute später wurde dieser stolz hereingeführt.
»Das ist ja ein wunderbares kleines Versteck, Herr Beuge«, begann Cosmo. »So praktisch, wenn man, äh ...«
»In der Nähe zu tun hat«, sagte Beuge und nahm den Stuhl vom Schrank. »Bitte, Herr. Ich bekomme hier nicht häufig Besuch.«
»Ich werde gleich zum Punkt kommen, Herr Beuge«, sagte Cosmo und setzte sich. »Dem Aufsichtsrat gefällt die, nun ja, Richtung nicht, in die sich die Dinge bewegen. Ich bin mir sicher, dass es dir genauso geht.«
»Ich würde mir wünschen, dass es anders wäre, Herr, ja.«
»Er hätte eine Aufsichtsratssitzung abhalten sollen!«
»Ja, Herr, aber leider besagen die Vorschriften der Bank, dass er es frühestens in einer Woche tun muss.«
»Er wird die Bank ruinieren!«
»Es ist so, dass wir sehr viele Kunden gewonnen haben, Herr.«
»Du kannst diesen Mann unmöglich mögen! Nicht du, Herr Beuge!«
»Es ist leicht, ihn zu mögen, Herr. Aber du kennst mich, Herr. Ich traue niemandem, der zu schnell lacht. Das Herz eines Narren wohnt im Haus des Frohsinns. Er sollte in deiner Bank nicht das Sagen haben.«
»Ich stelle sie mir gerne als unsere Bank vor, Herr Beuge«, sagte Cosmo großzügig, »denn in sehr realer Hinsicht ist es tatsächlich unsere.«
»Du bist zu freundlich, Herr«, sagte Beuge und blickte auf die Fußbodendielen, die durch das Loch in dem billigen Wachstuch sichtbar waren, das wiederum sichtbar war, weil sich im Teppich, der in sehr realer Hinsicht Beuge gehörte, eine durchgewetzte Stelle befand.
»Du hast recht jung bei uns angefangen, glaube ich«, fuhr Cosmo fort. »Mein Vater persönlich hat dir den Ausbildungsplatz verschafft, nicht wahr?«
»Das ist richtig, Herr.«
»Er war sehr ... verständnisvoll, mein Vater«, sagte Cosmo. »Und das mit Recht. Aber es hat keinen Sinn, in der Vergangenheit zu schwelgen.« Er hielt kurz inne, um seine Worte wirken zu lassen. Denn Beuge war nicht dumm. Man brauchte keinen Hammer, wenn eine fallen gelassene Feder die gleiche Wirkung erzielte.
»Vielleicht könntest du eine Möglichkeit finden, wie er sich ohne Lärm oder Blutvergießen von seinem Posten entfernen ließe. Es muss doch irgendetwas geben«, drängte Cosmo. »Niemand tritt einfach so aus dem Nichts in diese Welt. Aber die Leute wissen sogar noch weniger über seine Vergangenheit, als sie - nur als Beispiel - über deine wissen.«
Ein weiterer dezenter Hinweis. Beuges Auge zuckte. »Aber Herr Quengler wird der Bankdirektor bleiben«, murmelte er, während der Regen ans Fenster prasselte.
»Aber ja. Doch ich bin
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