Schöne Zeit der jungen Liebe
wandern singend durch die Wälder. Immer sind sie draußen in der Sonne.«
»Ich wollte mich ja bloß nützlich machen«, sagte Gaylord gekränkt.
»Schon gut. Geh, mein Lieber«, sagte May.
Er ging langsam die Treppe hinauf in sein Zimmer. Er wußte nicht, was er anfangen sollte, bis Roger kam. Allein rudern oder radfahren - dazu hatte er keine Lust. Er fühlte sich überhaupt nicht sehr unternehmungslustig. Hoffentlich wurde er nicht krank! Ersah sich schon mit Fieber im Bett liegen. Und Christine in ihrem blauen Morgenrock wischte ihm den Schweiß von der Stirn.
Am besten, er nahm sich ein Buch und setzte sich in den Obstgarten. Er las gerade >Leutnant Hornblower<. Ein spannendes Buch, aber - das fiel ihm jetzt erst auf - es kamen gar keine Frauen darin vor. Nach kurzem Zögern nahm er deshalb >Romeo und Julia< mit. Ihn interessierte es plötzlich, was Shakespeare über die Liebe geschrieben hatte.
Er setzte sich auf eine Bank unter einem alten Birnbaum und begann zu lesen. Nach einer Weile hörte er Schritte. »Was liest du denn da?« fragte eine Stimme.
»Christine!« strahlend sprang Gaylord auf. »Komm, setz dich. Warte - Moment.« Mit seinem Taschentuch wischte er den Sitz ab.
Danke«, sagte sie lächelnd und setzte sich. »Aus welcher Richtung wird Mr. Miles kommen?«
»Von der Straße unten am Fluß - da. Wenn er kommt. Er hat sehr viel zu tun. Seinem Vater gehört das Hotel zum Schwan in Ingerby, und in den Ferien hilft Rogert dort aus.« Eigentlich fabelhaft, daß ein so begabter Junge wie Roger in einem Hotel aushalf. »Er war der beste Sportler der Schule. Und jetzt geht er nach Oxford.«
»Aha.«
»Und Mannschaftskapitän war er auch noch. Kricket und Rugby.« Die Worte seines Großvaters fielen ihm ein. »Du weißt doch, was Kricket und Rugby ist?«
»Ja. Bevor ich hierherkam, habe ich ein Buch über den Sport in England gelesen. Golf, Rugby, Fußball, Tischtennis, Netzball, Kricket.« Gaylord war entzückt. »Fußball ist ein schnelles und klares Spiel. Rugby ist sinnlos und unverständlich. Ein Kricketspiel dauert drei Tage und ist abhängig vom Wetter, und da es in England niemals drei schöne Tage hintereinander gibt, wird kein Spiel je zu Ende gespielt. Bei Golf...«
»Also mit Rugby, da irrst du dich«, sagte Gaylord. Christine hatte ihn ahnungslos an einer empfindlichen Stelle getroffen. »Rugby ist bei weitem das bessere Spiel. Fußball ist nur ein schwacher Abklatsch davon.«
»Du hast sicher beides gespielt?«
»Großer Gott, nein.«
»Aha. Aber du hast bei Spielen zugesehen?«
»Nein, auch nicht.«
»»Woher willst du es dann wissen? Typisch englisch!« fügte sie voller Verachtung hinzu.
Er war so konsterniert, als hätte sie ihm einen Schlag versetzt. Er schwieg. »»Siehst du«, rief sie triumphierend, »mein Buch hat also doch recht. Die Engländer sind Snobs mit ihrem Rugby-Fußball. Ich mag keine Snobs.«
Er schwieg noch immer. Nach einer Weile sagte er: »Du hast wohl recht. Ich hatte mir das nie so klargemacht.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Ich glaube, ihr macht euch manches nicht so recht klar. Ihr lebt hier auf eurer Insel, und Rugby und Porridge und Disziplin sind gut. Und Fußball und Kaffee und Brötchen und Busen vor dem Frühstück sind schlecht.«
Gaylord starrte sie fassungslos an. Der englische Mittelstand erschien ihm auf einmal in einem neuen, nicht sehr erfreulichen Licht. Aber an so etwas wollte er jetzt nicht denken. Christine saß neben ihm, und Christine war süß. Und obwohl er es nicht billigen konnte, wie sie die Engländer kritisierte - wenn die Engländer sich selber kritisierten, war das gut und richtig, aber als Ausländer, fand er, sollte man sich etwas zurückhalten -, änderte das doch nichts an seinen zärtlichen Gefühlen für sie. Er rückte etwas näher an sie heran. Sie sah ihn an und lächelte, und sie rückte nicht weg. In einem Anflug von Todesmut nahm er ihre Hand. Sie tat, als wolle sie sie wegziehen, ließ sie dann aber in seiner Hand. Und jetzt überlegte er voller Angst, was er wohl als nächstes tun mußte.
Er war glücklich, als sie ihren Kopf an seine Schulter legte und leise murmelte: »Laß nur, wir wollen nicht streiten. Wann, meinst du, kommt Roger Miles?«
»Wenn er käme, müßte er eigentlich schon hier sein.«
»Ach - du meinst, daß er vielleicht überhaupt nicht kommt?«
Gaylord, für den Loyalität oberstes Gesetz war, merkte zu seinem Entsetzen, daß er hoffte, Roger werde nicht kommen. Unfaßlich.
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