Schöne Zeit der jungen Liebe
Erregung. Es war fast so, als ob sie und Charles sich für ihn, Jocelyn, in Szene gesetzt hätten - ein Bild der Unschuld. Er sagte: »So, Amanda, ich muß jetzt Weiterarbeiten.« Warum fühlte er sich ihr gegenüber nur so hilflos. Und plötzlich wußte er die Antwort: Es war das erste Mal, daß er in einer Krise mit einem der Kinder nicht May als Stütze neben sich gehabt hatte. »Also, versprich mir, daß du dir keine Sorgen mehr machst, hörst du? Es hat wirklich nichts zu bedeuten.«
»Sorgen - wieso?« fragte Amanda. Es kam jetzt machmal vor, daß sie ihren Vater überhaupt nicht verstand. »Ich finde es super!« Sie eilte davon, wie ein Reporter, dachte er, der aus einem der Fenster des Buckingham Palace eine Rauchwolke hatte hervorquellen sehen und jetzt nach einem Telefon sucht.
Auf dem Tennisplatz war gerade Gaylord am Aufschlag. »Oh, schlecht!« rief Amanda, als der Ball über das Netz fiel und ins Gras rollte.
»Wenn du mich auch störst!« gab Gaylord mißmutig zurück.
Roger und Christine blieben mit ihren Schlägern am Netz stehen und plauderten, während Gaylord und Liz sich auf die Suche nach dem Ball machten. »Hallo, Amanda«, sagte Liz und versuchte zu lächeln. (Gaylord war die Freundlichkeit selber. Aber sie wollte keine Freundlichkeit, sie wollte Liebe.)
Amanda half bei der Suche,- sie sah den Ball auch sofort, schob ihn aber mit dem Schuh hinter ein Grasbüschel. Im Augenblick gab es Wichtigeres. »Habt ihr gesehen, was passiert ist?« fragte sie.
»Wieso? Was?« wollte Gaylord wissen.
»Mr. Bunting hat Mummy geküßt, drüben auf dem Rasen. Mit Leidenschaft!« verkündete Amanda.
»Ah, da ist ja der Ball«, rief Gaylord. »So - wie standen wir? Dreißig-vierzig?«
»Ja«, sagte Liz. Amandas Worte hatten sie erschreckt, aber sie wollte nichts davon wissen, jedenfalls nicht jetzt. Wenn ihr Vater sich ungehörig benommen hatte, ausgerechnet Mrs. Pentecost gegenüber (was sie durchaus für möglich hielt), dann würde sie es früh genug erfahren. »Du bist dran«, sagte sie.
Amanda ging hinüber zu ihrem Großvater, der sie ohne Begeisterung begrüßte. Sie ließ sich in den Liegestuhl neben ihm fallen und fragte: »Hab ich dich aufgeweckt?«
»Unsinn. Ich schlafe niemals am Tage. Senile Angewohnheit.«
»Wenn du nicht geschlafen hast«, sagte Amanda mit zuckersüßer Stimme, »dann hast du sicher gesehen, wie Mr. Bunting und Mummy sich eng umschlungen hielten und geküßt haben.«
»Was erzählst du da! Nein, davon habe ich nichts gesehen.«
»Dann mußt du geschlafen haben! Sie standen nämlich mitten auf dem Rasen dabei, und von hier aus...«
»Ich habe wahrscheinlich gelesen.«
»Nein, das hast du nicht. Ich war oben am Fenster und hab alles gesehen, und dann habe ich Daddy geholt. Du hast nicht gelesen, Opa, ich konnte bloß nicht genau sehen, ob du die Augen geschlossen hattest.«
»Kann sein. Ich ruhe sie manchmal aus. In meinem Alter... Und du hast deinen Vater geholt? Was soll das alles heißen?«
Endlich jemand, der sich für ihre Geschichte interessierte. Sie erzählte.
Als sie wieder fort war, saß John Pentecost tief in Gedanken versunken da.
Nein, er wunderte sich nicht. Er war ein kluger alter Mann und sah weit mehr von dem, was um ihn herum vorging, als die meisten Leute glaubten. Irgend etwas hatte ihn vorhin geweckt, und er hatte die Augen geöffnet und gesehen, wie Charles Bunting und May auf dem Rasen standen und offensichtlich zornige Worte miteinander sprachen. Dann hatte May sich wieder hingesetzt und ihre Zeitschrift zur Hand genommen, und Charles hatte wieder seine Palette ergriffen.
Nein, er wunderte sich nicht. Dieser Bunting war ein sonderbarer Mann, ein Einzelgänger - und obendrein Künstler.
Und May? John Pentecost bewunderte May wie niemanden sonst. Eine großartige Frau, in jeder Beziehung. Und doch, sie war auch nur ein Mensch: jung genug, um noch heißes Blut in den Adern zu haben, und alt genug, um Verlockungen zu kennen und zu meiden. Eine Frau mit Temperament, die sich von einem temperamentvollen Mann wie Bunting sehr wohl angesprochen fühlen mochte. Besonders bei einem Ehemann wie Jocelyn, der tagaus, tagein an seinem Schreibtisch hockte. Doch was er an ihr am meisten bewunderte, war gerade ihre Treue. Nie würde sie etwas tun, das Jocelyn verletzte, da war er ganz sicher. Freilich, John Pentecost hatte in seinem langen Leben gelernt, daß kein Mensch völlig berechenbar war. Er würde gelegentlich unter vier Augen mit Jocelyn
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