Schöne Zeit der jungen Liebe
die Flut kam. Und die Familie, die kleine, fest zusammengehörende Familie, die sie geformt und beschützt hatte, auch sie veränderte sich. Ihr Sohn -jetzt ein junger Mann, hatte keine Lust mehr, in heimatlichen Gewässern herumzupaddeln, und das war recht so. Gaylord meinte, sie brauche ein Färbemittel für ihr Haar. Und Charles wollte sie als brave Ehefrau malen. Irgend etwas sträubte sich in ihr dagegen. Und sie, die sonst ihre eigenen Motive so klar und nüchtern erkannte, konnte nicht sagen, warum sie es nicht wollte. Sie blickte in den roten Abendhimmel. Sie, die immer behauptete, sie sei nie ohne Grund bedrückt oder deprimiert, fühlte, wie sich ihr etwas, das sie nicht recht bestimmen konnte, schwer auf die Schultern legte. War es das Alter, waren es ihre und Jocelyns vierzig Jahre? Oder war es einfach die Tatsache, daß ihr kleiner Gaylord nun zu einem kräftigen jungen Mann herangewachsen war, dem die Familie nicht mehr genügt? »Du wirst uns allen fehlen, Gaylord«, sagte sie. »Vor allem Amanda und Liz.«
Amanda nickte stürmisch, und Liz faßte Mut und rief: »Das macht nichts, Mrs. Pentecost. Wir kommen schon zurecht, was, Mandy?«
Gaylord blickte auf. »He, Lizzie!« rief er fröhlich, ging zu ihr hinüber und zog ihr den Strohhut über die Augen.
Liz war selig. »Hallo, Gaylord«, flüsterte sie und zog den Hut zurecht, damit sie ihn bewundernd anlächeln konnte.
Gaylord warf sich neben ihrem Stuhl ins Gras. Er pflückte einen Grashalm, kaute darauf herum und sah sie grinsend an.
Ein leichter Abendwind war aufgekommen; er kräuselte die Wasseroberfläche des Flusses, brachte Aufruhr in die Mückenschwärme und bewegte die Blätter der Zeitschrift auf Liz’ Knien. »Kommt, wir gehen ins Haus«, sagte May. Und Charles Bunting rief: »Komm, Liz, wir müssen heim, es ist Zeit.«
John Pentecost zertrat den Rest seiner Zigarre im Gras. Wie viele Zigarren würde er noch rauchen in diesem Garten, bevor Zigarren und Gärten und Erde und Sonne für ihn versanken? Wieder ein Sommerabend dahin, dachte er und seufzte. Jocelyn trat heran. »Soll ich helfen, Vater?« Der alte Mann warf ihm aus seinem Liegestuhl einen finsteren Blick zu. »Nein, danke, ich brauche keine Hilfe. So klapprig bin ich noch nicht.« Er kam mühsam auf die Füße. Verdammt, ja, es war beschwerlich, aber das hatte mit seinem Alter nichts zu tun - es lag einfach daran, daß die Liegestühle heutzutage so niedrig waren.
May schob ihren Arm unter den ihres Sohnes. »Wie schön, daß du wieder bei uns bist, mein Kleiner.«
»Schön, wieder zu Haus zu sein, Mum.«
Über den Rasen kam ein Ruf, dem man die bemühte Fröhlichkeit anhörte. »Wiedersehen, Gaylord!«
Mutter und Sohn wandten sich um. Liz stand neben dem offenen Rolls-Royce. Sie lächelte verzweifelt und winkte. May sah ihr an, wie sehr sie sich nach einem freundlichen Wort, nach einem Kuß von Gaylord sehnte.
Gaylord rief: »Bis bald, Liz!« und ging fröhlich weiter. Der Wagen fuhr an und überholte die kleine Gruppe, die langsam auf das Haus zuschlenderte. Charles Bunting hupte und beschleunigte das Tempo. Der Wagen glitt mit einem langen Schatten die Straße am Fluß entlang und verschwand schließlich hinter der Kurve.
May drückte Gaylords Arm. »Du wirst doch vorsichtig sein in Deutschland, ja?«
»Ja, natürlich, Mutter.« Er grinste. »Ich werde Miles’ Onkel sagen, er soll auf der Autobahn höchstens fünfzig fahren.«
»Ich spreche nicht von der Autobahn. Ich meinte es ganz allgemein. Die Mädchen sollen sehr hübsch sein.«
»Mädchen!« Er lachte geringschätzig. »Nein, da gibt’s wichtigere Dinge - Sport, Fußball
Sie lächelte. »Ja, natürlich, mein Großer.« Insgeheim dachte sie: Warte nicht zu lange, mein Sohn. Küsse verlieren mit den Jahren ihre Süßigkeit. Und Liz gäbe ihre rechte Hand für einen Kuß.
Aber sie wußte, die kleine Liz würde wohl vergeblich warten.
Sie war immer noch leicht deprimiert, als sie später am Abend Amanda einen Gutenachtkuß gab. Im Hinausgehen wandte sie sich noch einmal um und fragte sie: »Übrigens, woher wußtest du denn, daß Mr. Bunting mich gern malen würde?«
Sie sah Amanda nicht an, aber sie wußte, daß die großen offenen Augen des Kindes sie genau beobachteten. Nachdenklich sagte Amanda: »Das weiß ich nicht, Mummy. Ich dachte, er war vielleicht in dich verliebt. Aber das könnte er doch gar nicht, nicht? Weil du schon verheiratet bist.«
»Nein, mein Kleines, natürlich könnte er
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