Schöne Zeit der jungen Liebe
das, zumindest von außen betrachtet, nach einem Vertrauensbruch aussah. Da hatte er eine der schönsten Wochen des Jahres in seinem Arbeitszimmer verbracht und von morgens bis abends gearbeitet, hart gearbeitet, um May und den Kindern das bequeme Leben zu sichern, an das sie gewöhnt waren. Und was hatten sie getan? Sich ein schönes Leben gemacht und andere Leute geküßt!
Nein, er hatte nicht die Absicht, hier in der Diele herumzustehen, damit Charles und May das Wohnzimmer für sich haben konnten. Normalerweise hätte er den Abend nur zu gern an seinem Schreibtisch verbracht, aber heute war er zu unruhig zum Arbeiten. Er legte die Hand auf den Türgriff. »Gehst du rein? « fragte Amanda erstaunt. »Aber sicher«, erwiderte er. »Toll!« rief Amanda. »Ich komme mit.«
May saß in ihrem Sessel und las in einer Zeitschrift. Charles hatte seine Staffelei ein paar Schritte entfernt aufgestellt. Die Glastür zum Garten stand offen. Draußen saß John Pentecost und sann, während er eine Zigarre rauchte, über das Gespräch mit seinem Sohn nach. Jocelyn war, wie es schien, nicht sehr beeindruckt gewesen. Doch wie dem auch war, er, John Pentecost, war absolut richtig vorgegangen, taktvoll, väterlich, diskret - mit einem Wort: diplomatisch.
Aus dem Augenwinkel sah May, daß jemand ins Zimmer kam. Sie wandte leicht den Kopf. »Hallo, ihr zwei«, rief sie. »Wenn ihr ganz still seid, erlaubt Charles euch sicher, daß ihr hierbleibt.«
»Verdammt, willst du bitte stillsitzen!« herrschte Charles sie an.
»Red nicht in diesem Ton mit meiner Frau«, sagte Jocelyn fast ebenso laut.
Charles, May und Amanda sahen ihn erstaunt an.
»Also wirklich - lieber würde ich ein fünfjähriges Kind malen!« sagte Charles gereizt. »Dauernd werde ich unterbrochen.« Er warf die Palette hin. »Begreift ihr denn nicht! Ich habe Frauen gemalt, die tausend Pfund für ihr Bild bezahlten, und konnte mit eiserner Disziplin rechnen. Die saßen still. Die wagten nicht, das Gesicht zu verziehen! May dagegen
»Willst du meine Frau kritisieren?« fragte Jocelyn mit ruhiger, wuterfüllter Stimme.
»Ja, das will ich. Ich habe doch wohl ein Anrecht auf ein Minimum an Kooperation! Immerhin, es gibt Leute, die es sich zur Ehre anrechnen würden, von mir gemalt zu werden.«
Jocelyn ging auf Charles zu und versetzte ihm einen Schlag auf die Nase.
Überraschender vielleicht noch als diese erstaunliche Tat war der Begleitumstand, daß Jocelyn sich zehn himmlische Sekunden lang innerlich die Hände rieb, vor allem als Charles rückwärts über einen Stuhl vor dem Kamin zu Boden ging und sich laut stöhnend mit beiden Händen die Nase hielt. Jocelyn, der »Schreiberling’, stellte plötzlich fest, daß der Höhlenmensch in ihm, an den er nie recht geglaubt hatte, noch durchaus lebendig war und viel näher an der Oberfläche lebte, als er geahnt hatte. Es war geradezu berauschend!
Amanda sah ihn mit glänzenden Augen an und rief voller Bewunderung: »Oh, Daddy, das war Klasse !«
Doch der Rausch war schnell verflogen, und mit Entsetzen wurde sich Jocelyn darüber klar, was er da angerichtet hatte.
Er mußte mitansehen, wie May jetzt Charles in einen Sessel half und das Nasenbluten einzudämmen versuchte, wobei sie ihn, Jocelyn, mit einem Blick bedachte, aus dem Zorn, Verachtung und Sorge um seinen gesunden Menschenverstand sprachen. Und jetzt kam auch noch sein Vater aus dem Garten herein und wollte wissen, was da los war. Wenn Charles Nasenbluten bekommen habe, erklärte er, so liege das nur daran, daß er den ganzen Nachmittag in der Sonne gestandenhabe. Er, John Pentecost, habe gleich gedacht, das könne nicht gutgehen.
»Steh doch nicht so herum! « sagte May in scharfem Ton zu Jocelyn. »Hol einen Schwamm und eine Schüssel mit kaltem Wasser!«
»Ja. Ist gut. Ich gehe.« Jocelyn ging auf die Tür zu.
»Die Sonne war das nicht, Opa«, sagte Amanda fröhlich. »Daddy hat ihm eine geknallt.«
John Pentecost nahm die Zigarre aus dem Mund und starrte seinen Sohn an. »Das glaube ich nicht«, sagte er endlich.
»Wieso? Warum nicht?« sagte Jocelyn leicht gekränkt an der Tür. »Nur weil ich normalerweise nicht um mich schlage?«
»Aber du kannst doch sonst keiner Fliege etwas zuleide tun«, sagte der alte Mann.
»Aber jetzt hat er’s gekonnt - und wie!« Amanda strahlte ihren Vater an.
»Sag bitte nicht »Und wie!««, wies Jocelyn sie zurecht.
»Meinst du, sie ist gebrochen?« fragte Charles düster.
»Also gut, dann hole ich den
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