Schöne Zeit der jungen Liebe
interessiert und, wie es schien, eine Spur belustigt an. »Miß Amanda Pentecost?« fragte sie.
»Ja«, sagte Amanda geschmeichelt und leicht erschrocken.
»Guten Tag, mein Kind. Ich nehme an, du hast mir geschrieben.«
Amanda starrte sie an. »Sie sind... Sie sind nicht Mrs. Haldt?«
»Ja.«
»Und - Sie sind in England?«
»Ja. Auf deinen Brief hin. Ich bin geflogen. Ich nehme an, meine Tochter ist hier.«
Amanda schluckte. Das hatte sie nicht erwartet. Ein Brief wäre schlimm genug gewesen, aber daß die Mutter gleich selber angereist kam...
»Ich - ich hole sie.«
»Vielen Dank, mein Kind. Aber ich glaube, ich sollte zuerst mit deiner Mutter sprechen. Es gibt da einiges zu klären.«
Genau das hatte Amanda befürchtet. »Bitte kommen Sie herein«, sagte sie unglücklich.
»Danke.«
Amanda ging durch die Diele und öffnete die Wohnzimmertür, aber sie mußte eine Weile warten, bis sie sich verständlich machen konnte. May sagte gerade: »In diesem Zustand fährst du nicht allein nach Hause, Charles. Jocelyn bringt dich in unserem Wagen.« Und mit spitzer Stimme fügte sie hinzu: »Das ist das wenigste, was er tun kann.«
Charles protestierte heftig: »Ich brauche meinen Wagen morgen früh, ich habe eine Ausstellung in Ingerby. Ich höre schon, wie mich jeder fragen wird, ob ich eine Runde mit Muhammad Ali absolviert habe, so wie ich aussehe.«
Jocelyn machte ein beleidigtes Gesicht, und John Pentecost sagte wieder: »Also wirklich, das hätte ich dir nie zugetraut!«
Plötzlich wurde es still, und alle blickten zur Tür.
»Christines Mutter«, sagte Amanda und wäre am liebsten im Boden versunken.
»Mutti!« rief Christine. Ein Feuergefecht in schnellem Deutsch folgte. Dann kam Mrs. Haldt ins Zimmer und begrüßte jeden der Anwesenden mit höflichem Lächeln. Sie gehörte zu jenen kleinen, gesetzten Frauen, die sich wie auf Gleitschienen vorwärts bewegten und nie eine heftige oder eine überflüssige Bewegung machten. Sie sah sich gelassen im Zimmer um und sagte: »Sie sind gewiß Mrs. Pentecost.«
»Ja«, sagte May. Sie stellte die Schüssel auf ein Tischchen und hielt den Arm so, daß er die schlimmsten Blutflecken verdeckte. »Bitte nehmen Sie Platz. Welch eine Überraschung!« Das war es ohne Übertreibung.
»Ja, das dachte ich mir. Meine Tochter hatte mich in dem Glauben gelassen, sie sei im Harz. Aber das sollten Sie wohl auch gar nicht wissen, Mrs. Pentecost.« Ein kaltes Lächeln traf May.
»Nein, das habe ich allerdings nicht gewußt.«
»Nein. Aber Ihre kleine Tochter hat es gewußt.«
Jetzt geht’s los, dachte Amanda. Aber Mrs. Haldt fuhr im freundlichsten Ton fort: »Sie haben sie einfach nur bei sich aufgenommen, ohne ihr eine Frage zu stellen. Ich glaube, bei uns in Deutschland wäre das nicht vorgekommen. Unsere Anschauungen sind da wohl doch sehr verschieden, nicht wahr?«
»Ich habe sie nicht einfach bei uns aufgenommen. Ich wollte sie zurückschicken. Aber sie sollte sich vorher ein paar Tage ausruhen. Auch wo Strenge angebracht ist«, fügte sie hinzu, »üben wir in England gern ein wenig Rücksicht.«
»Selbstverständlich. Meine Tochter hat Sie ja auch in eine schwierige Lage gebracht, Mrs. Pentecost. Niemand hat es gern, wenn man ihn zu einem Entschluß zwingt.«
Wenn es etwas gab, worauf May stolz war, dann war es ihre Entschlußkraft. Aber jetzt hatte John Pentecost seinen Auftritt: Entzückt von der Besucherin, bot er ihr mit einer großen Geste einen Sessel an. Sie schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ihm fast schwindlig wurde, und nahm in dem Sessel Platz.
»Sie werden entschuldigen, Madame. Wir hatten hier gerade eine kleine Auseinandersetzung«, sagte er.
»Ach was, nur ein kleines Versehen«, warf May hastig ein.
»Versehen? Daß ich nicht lache!« sagte Charles laut und deutlich. »Christines Arbeitgeber hat mich auf die Nase geboxt.«
»Ja, weil er Mummy geküßt hat. Mit Leidenschaft!«
»Ich verstehe«, sagte Mrs. Haldt. »Ein kleines eheliches Mißverständnis.«
»Ach was! « schrie Charles und wies mit dem Finger auf May. »Ich habe einer alten und geschätzten Freundin einen Kuß gegeben, fast en passant, und was geschieht? Sie haut mir eine runter. Und dann kommt ihr Mann, auch ein guter alter Freund von mir, nachdem er eine Woche lang darüber gebrütet hat, und bricht mir gleich die Nase.« Liebevoll strich er mit dem Zeigefinger an der Nasenwand entlang.
»Ich hab sie dir nicht gebrochen«, protestierte Jocelyn. »Es war doch nur ein
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