Schöne Zeit der jungen Liebe
leichter Klaps.«
»Aber sie ist gebrochen. Ich fühle doch, wie die Knochen wackeln.«
»Kommen Sie her. Knien Sie sich mal hin«, sagte Mrs. Haldt.
Charles, ebenso überrascht wie alle anderen, ging zu ihr hinüber und kniete vor ihr nieder. Er war hingerissen. Aus dieser Perspektive betrachtet, hatte sie die Würde und die Schönheit einer Madonna von Leonardo. Mit kühlen, unendlich sanften Fingern befühlte sie seinen Nasenrücken. »Da ist nichts gebrochen«, sagte sie schließlich. »Sie werden im Besitz Ihrer Schönheit bleiben, Sir.«
Ob er Mrs. Haldt jetzt ebenso ungalant behandeln würde wie sie? dachte May. Nein. Er knurrte nur: »Fühlt sich aber gebrochen an.« Er stand auf, grinste und sagte: »Ich danke Ihnen, Madame. Es wird schon besser, ich merk’s ganz deutlich.« Dann sagte er kurz angebunden zu May: »Ich fahre jetzt.«
»Aber nicht allein, Charles, Jocelyn begleitet dich.«
»Und wie komme ich zurück?« fragte Jocelyn.
»Du leihst dir das Rad von Liz.«
Knurrend suchte Charles seine Pinsel und Farben zusammen, packte alles in einen Holzkasten, legte ein Tuch über die Leinwand und nahm sie unter den Arm.
Mrs. Haldt hatte ihm interessiert zugesehen. »Sie sind Künstler, Sir?« fragte sie.
»Ich gebe mir Mühe«, erwiderte er mit ungewohnter Bescheidenheit.
»Darf ich einen Blick auf Ihr Bild werfen?«
Er nahm das Tuch ab und hielt ihr das Bild hin. Sie betrachtete es genau, wandte sich dann um und betrachtete May ebenso genau. Dann wandte sie sich wieder dem Bild zu. »Ein gutes Bild«, sagte sie. »Ein sehr gutes Bild.«
»Ich danke Ihnen«, sagte Charles, der normalerweise mit einer Grobheit auf jeden Kommentar zu seiner Arbeit reagierte. Kritik nahm er übel, und Lob empfand er als gönnerhaft. Jetzt war er sichtlich befriedigt.
»Ich würde gern noch mehr von Ihren Arbeiten sehen«, sagte Mrs. Haldt. »Aber wir fliegen morgen vormittag schon wieder ab.«
»Das tut mir aber sehr leid«, sagte Charles, beugte sich über ihre Hand und küßte sie. »Wiedersehen, May!« rief er. »Dank für die Hilfe. Komm, Jocelyn.«
Jocelyn verbeugte sich vor Mrs. Haldt, die höflich den Kopf neigte, und folgte Charles. Jetzt mußte er sich Charles’ Fahrkünsten anvertrauen und mußte neben einem Mann sitzen, dem er einen Schlag auf die Nase verpaßt hatte - eine gräßliche Situation. Sein einziger Trost war, daß er sich dafür nicht mit der charmanten, aber energischen Mrs. Haldt zu befassen brauchte. Diese Aufgabe fiel nun May zu. Bis er zurück war, hatten sie bestimmt alle Probleme gelöst. Was bedeutete, wie ihm jetzt klarwurde, daß May dann Zeit hatte, ihm wegen der kleinen Auseinandersetzung gründlich die Meinung zu sagen. Nach ihren ersten Reaktionen zu urteilen, würde er nicht nur Komplimente zu hören bekommen. Was für ein Narr er doch gewesen war! Noch vor kurzem war er der Gekränkte und Beleidigte gewesen. Er hatte sich in der Rolle eines verständnisvollen, verzeihenden und leicht belustigten Ehemanns gesehen - und May, auch wenn sie sich nicht gerade entschuldigte, doch eindeutig in der Defensive. Und jetzt? Wenn er nachher zurückkam, würde May ihm vorhalten, er habe sich unmöglich benommen. Und das Schlimmste war, daß sie recht hatte.
Charles drehte den Zündschlüssel. Der Motor sprang an, und der Wagen schob sich langsam an einem in der Einfahrt wartenden Taxi vorbei. Eine Sekunde später, so schien es Jocelyn, stand die Nadel auf einhundertzehn. Jocelyn sagte: »Ich habe mich sehr unvernünftig benommen.«
»So kann man es natürlich auch nennen«, erwiderte Charles. Die Tachonadel kletterte weiter.
»Ein Fall von Atavismus, sicher«, sagte Jocelyn.
Charles fuhr schweigend weiter.
»Einmal im Schlaf«, sagte Jocelyn, »hat May sich im Bett umgedreht und mir versehentlich den Ellbogen in den Mund gestoßen. Und weißt du, was ich da getan hab? Ich hab sie gebissen. Einfach nur aus blinder, tierhafter Wut.«
Charles fuhr schweigend weiter.
»In dem kurzen Augenblick damals zwischen Schlafen und Erwachen war ich wieder der Höhlenmensch mit seinen wilden Instinkten.«
Charles fuhr schweigend weiter.
»Ich weiß noch, ich habe sogar geknurrt - wie ein Hund, der einen Knochen vor sich hat.«
»Na, da kann ich ja von Glück reden, daß du mich nicht am Fuß zu fassen gekriegt hast. So, da sind wir. Das Fahrrad steht im Schuppen.«
Jocelyn stieg aus dem Wagen. »Es tut mir leid, Charles«, sagte er.
»Ach was, komm rein und trink einen Schluck. Tut uns
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