Schoener Schlaf
sich an dem Bild im Bild fest. Sie sahen fünf Buchstaben in altertümlicher Blockschrift, aber dennoch leserlich: Meer â stand da, und in dem dreieckigen Ausschnitt des groÃen M hatte der Maler ein stolzes aufrechtes J oder I gemalt.
Leists Atem ging schneller.
»Guter Gag, Meyer«, sagte sie dann. »War es schwer, Vermeers Signatur so sauber hinzukriegen?«
Der Restaurator glotzte Leist an. Sagen konnte er nichts.
Sucher lachte, als er Meyers Gesicht sah. »Fassen Sie sich, Herr Kollege.«
»Ich mag solche Unterstellungen nicht!«, sagte Meyer scharf.
»Dass Sie keinen Humor haben, war mir schon immer klar«, wehrte sich Leist.
»Schluss jetzt«, wurde Sucher ärgerlich. »Als mich Herr Meyer über seine Entdeckung informierte, zweifelte ich auch zunächst. Dann ging ich von einer Halluzination aus, die der Ãbermüdung des Kollegen geschuldet war. Aber jetzt weià ich es besser. Und wir haben ein neues Problem.«
»Welches?«
»Wir können dieses Werk unmöglich wie geplant jeden Freitag zur Schau stellen«, antwortete Sucher. »Es könnte Millionen wert sein. Keine Versicherung der Welt übernimmt das Risiko bei unserem maroden Sicherheitssystem.«
»Und wie begründen wir das Ende der Freitagstermine?«, fragte Leist unwillig. »Zuerst tönen wir laut, dass wir die Ãffentlichkeit an der Enthüllung beteiligen wollen, und dann sperren wir das Bild wieder weg.«
»Lassen Sie sich etwas einfallen«, bat Sucher. »Sie sind doch für die Medienarbeit zuständig. Am besten ist vielleicht eine technische Begründung. Dass die Feuchtigkeit dem Bild schade oder das Licht. Sagen Sie nur nichts, was auf Vermeer hindeuten könnte. Was macht eigentlich Ihre Kontaktaufnahme zu Goldstein?«
»Ich habe mit ihm telefoniert und ihm Fotos gemailt«, zeigte sich Leist ungewohnt ehrlich. »Aber er will nicht so recht anbeiÃen. Er hält mich für eine Provinztussi mit Vermeer-Komplex.«
Sucher lachte schallend.
»Schicken Sie ihm das«, sagte Sucher und reichte ihr ein Foto, auf dem die freigelegte Signatur abgebildet war. »Vielleicht stimmt ihn das um.«
»Ich dachte, wir sollen schweigen«, wandte sie ein.
»Gegenüber den Medien â ja. Aber Goldstein muss von der Signatur wissen â wir brauchen den Mann schlieÃlich«, erinnerte Sucher. »Oder trauen Sie sich zu, ein Urteil zu dem Bild abzugeben, damit es international anerkannt wird?«
»Trauen schon«, knurrte sie. »Aber es wird wohl niemanden interessieren.«
»Deshalb brauchen wir Goldstein. Ich kann ja verstehen, dass er zurückhaltend ist. Der letzte Vermeer hat ihn elf Jahre seines Lebens gekostet«, erinnerte Sucher.
»Und seinem Haus einen tollen Batzen Geld beschert«, sagte Leist trocken. »Zwanzig Prozent von vierundzwanzig Millionen Euro.«
»Sein Vermeer war noch nicht mal signiert wie unserer!«, triumphierte Meyer. »Bei unserem steht Vermeer drauf â¦Â«
»â¦Â und deshalb ist auch Vermeer drin!«, ergänzte Sucher. »Alles klar, Herr Meyer.«
*
Kant zeigte seinen Ausweis und die Angestellte der Wohnmobilvermietung lud die Daten der letzten Woche auf den Monitor.
»Hier haben wir es«, verkündete sie. »Compact Standard, Turbo Diesel, sechzig Euro pro Tag. Gemietet von Fabry. Leon Fabry.«
Kant verschlug es die Sprache.
»Für eine Woche«, berichtete sie. »Aber er hat es früher zurückgebracht.«
»Können Sie sich an den Mann erinnern?«
»Klar. Er wurde sehr unfreundlich, als ich ihn fragte, wohin er in Urlaub fahren will. Hat er was ausgefressen?«
»Vielleicht. Ist das Wohnmobil noch da?«
»Steht im Hof«, nickte sie
Kant inspizierte das Innere des Fahrzeugs. Es war noch nicht gereinigt worden: In der Spüle lagen gelbe Rosenblätter.
Fabry, dachte Kant. Leon Fabry â ein Stalker? Und er stand in Beziehung zum toten Matt Turner. Und noch jemand in seiner Umgebung war tot. Die Tante, die Schneiderin.
Der Kommissar suchte den Arzt auf, der den Totenschein für Luise Kranach ausgestellt hatte. Der Berghofer Dorfarzt betreute die meisten seiner Patienten schon seit Jahrzehnten.
»Wie ist Luise Kranach gestorben?«
Der Arzt blickte Kant durch seine Brille an. Die Gläser lieÃen die Augen gröÃer erscheinen, als sie tatsächlich waren. So ergab sich der
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