Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)
motivieren oder sogar zu unterhalten.
Dieses Syndrom hat dazu geführt, dass meine wissenschaftliche Produktion übermäßig von Umständen abhing, die mir Helfer zur Verfügung stellten. Lücken in meiner Produktivität waren nicht auf fehlende Vorstellungskraft zurückzuführen, sondern auf einen Mangel an Unterstützung. Und ich muss gestehen, dass ich darüber ein starkes Bedauern empfinde. Wäre es mir möglich gewesen, in den frühen Jahren mehr Unterstützung zu erhalten, wäre ich schneller vorangekommen und Die Fraktale Geometrie der Natur wäre zu einer Zeit erschienen, in der das Geld für wissenschaftliche Forschung noch floss – also ein ganzes Stück früher als 1982. Das hätte einen großen Unterschied ausgemacht.
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In Yale: Der Sterling-Lehrstuhl als Krönung
(1987–2004)
Die Kunst, neue Angebote und schnelle Beförderungen zu erhalten, war mir immer ein Rätsel, doch bei einigen Gelegenheiten habe ich Glück gehabt – speziell, als ich eine Stelle an der Yale University an Land zog.
Außerplanmäßiger Professor der Mathematischen Wissenschaften in Yale
Unerlässlicher Vermittler für den Prozess, der mich nach Yale führte, war Martin Shubik, der sich selbst als »Institutionenökonom« bezeichnete. Wir hatten uns kennengelernt, als ich am Institute for Advanced Study Postdoktorand bei John von Neumann war, während er in Princeton mit Oskar Morgenstern (1902–1977), Johnnys Koautor bei Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten , arbeitete. In den 1960er-Jahren waren wir für kurze Zeit Kollegen bei IBM Research gewesen, doch er zog schon bald nach Yale weiter.
Shubik nahm überraschend mit mir Kontakt auf, als ich 1964 auf dem Weg nach Harvard war, und dann noch einmal Anfang 1967. Beim ersten Mal muss ich ihn wohl abgewiesen haben. Beim zweiten Anlauf habe ich offensichtlich aufgeschlossener geklungen. Kurz darauf bekam ich einen Anruf von Ronald Raphael »Raphy« Coifman, dem Vorsitzenden der Mathematischen Fakultät. »Wir wissen, dass Sie eine Stelle in Harvard, aber auch starke Bindungen zu IBM und ein Haus in Scarsdale haben. Beide Orte liegen weit näher bei Yale. Könnten wir Sie überreden, zu uns zu kommen?« – »Aber was ist mit Serge Lang?« Lang (1927–2005) war ein herausragender Mathematiker, der wegen seiner ausgeprägten und energisch vorgetragenen Ansichten gefürchtet war. »Ja, Serge hat in der Tat ausgeprägte Ansichten über Kollegen der Abteilung, behält sie aber für sich. Wenn Sie seinetwegen besorgt sind, ist diese Abteilung der beste Aufenthaltsort.« – »Aber im Moment kenne ich in Yale keinen einzigen Mathematiker.« – »Nun, in Stockholm am Mittag-Leffler-Institut sind Sie Peter Jones begegnet.« – »Der ist aber doch in Chicago.« – »Nicht mehr, er ist jetzt nach Yale umgezogen. Außerdem, wir haben uns zwar noch nicht getroffen, aber ich kenne Ihre Arbeit sehr gut. Hinzu kommt: Shubik, ein paar weitere Wirtschaftswissenschaftler, die Sie kennen, und dazu noch andere Kollegen bemühen sich sehr darum, Sie hierher zu holen. Kommen Sie doch mal rüber, damit wir uns unterhalten können.«
Ich kam, sah und wurde gewonnen. Anziehend war vor allem, dass Yale näher zu unserem Haus in Scarsdale lag als Harvard und dass diese Stelle Teil eines langfristigen Projekts sein würde. Der Mathematischen Fakultät in Yale missfielen die Ranglisten, in denen sie hinter Princeton oder Harvard erschien, und sie hatte beschlossen, »weniger gut« durch »anders« zu ersetzen – insbesondere durch eine Ausweitung weniger abstrakter Gegenstände. Es lief darauf hinaus, zunächst erfahrene Leute mit allseits anerkanntem Namen zu berufen. Der Dekan des Yale College (für Nichtgraduierte) war Sidney Altman – ein bekannter Biochemiker, der kurz darauf den Nobelpreis erhielt. Im Andenken an Abraham Robinson (1918–1974) waren Finanzmittel gesammelt worden. Zufällig war ich ihm früher einmal begegnet und wusste deshalb, dass er sich auf drei verschiedenen Gebieten einen hervorragenden Ruf erworben hatte: Luftfahrttechnik, symbolische Logik und Mathematik. Bis zu seinem Tod war er Sterling-Professor für Mathematik und Philosophie gewesen. Aus diesem Grund war der Stiftungslehrstuhl auf Personen mit außerordentlicher Vielseitigkeit verpflichtet und ich somit qualifiziert. Für einen permanenten Vollzeit-Lehrstuhl reichte das Geld nicht, wohl aber dafür, dass ich als alternder Mensch der erste (und bislang einzige) »Abraham Robinson Adjunct Professor of
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